Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Zeichen.
    »Paris«, antwortete die Stimme. »Im dreizehnten Arrondissement, nicht weit von der Place d’Italie. Unsere Biometrie empfängt die Videodaten der Überwachungskameras in Echtzeit, aber die Identifizierung ist noch immer schwierig. Blickwinkel, Helligkeit, Kontrast, alles muss stimmen. Bei Raffaele und Yvonne sind sich unsere Programme sicher. Die Gruppe bestand aus fünf Personen …«

    »Wer sind die anderen drei?«, fragte Tanner sofort.
    »Das wissen wir noch nicht. Drei Männer, bisher nicht identifiziert. Wir versuchen, noch mehr Computerkapazität zu bekommen, um auch die Aufzeichnungen durchzugehen. Vielleicht ergibt sich daraus ein Bewegungsprofil.«
    »Versuchen Sie unbedingt, die Gruppe im Auge zu behalten«, sagte Tanner. »Das hat absoluten Vorrang.«
    »Verstanden, Phönix Eins.«
    Tanner sah zum Kopiloten, der auf eine Anweisung wartete. »Paris«, sagte er.
    Der Mann nickte und gab dem Piloten Bescheid. Der Hubschrauber änderte den Kurs, und das Dröhnen und Donnern wurde noch lauter.
    »Paris«, wiederholte Tanner und sah dabei Ignazio an. »Dort wollen sie sich offenbar treffen.«
    »Fünf sind bereits da«, sagte Ignazio nachdenklich und klappte die Bibel zu. »Die drei Männer, Raffaele und die Frau.«
    »Und drei sind unterwegs«, fügte Tanner hinzu. »Das sind acht.«
    Die Worte zeigten Ignazio, dass der Leiter von »Phönix«, wie der Codename dieses Einsatzes lautete, in ähnlichen Bahnen dachte.
    »Ich bin sicher, dass Anna Ranzani nichts mit dieser Sache zu tun hat«, sagte er. »Simon Krystek dürfte mit ziemlicher Sicherheit einer der Sechs sein, und vielleicht auch Vogler, trotz des Konflikts zwischen ihnen.«
    »Macht zusammen sieben. Und bisher war immer von den Sechs die Rede. Haben wir uns verzählt?«
    Nein, dachte Ignazio. Bei seinen Nachforschungen hatte sich eindeutig herausgestellt, dass es sechs Nephilim waren.

    »Was ist mit Raffaele?«, fragte Tanner, der ihn noch immer ansah. »Sie hatten den Jungen in den Vatikan gebracht. Was ist dort geschehen?«
    »Wir haben versucht, ihm zu helfen«, sagte Ignazio, was nur zum Teil stimmte - sie hatten vor allem versucht, mehr über ihn herauszufinden. »Aber er … entkam. Mithilfe von Yvonne Jacek.«
    »Gehört er zu den Nephilim?«
    »Ich weiß es nicht.« Ignazios Hände schlossen sich fest um die Bibel, als er sich fragte, ob sie einen wichtigen Punkt übersehen hatten.

50
    Hamburg
    S ingerer stapfte durch die Dunkelheit, und manchmal, wenn in seinen wirren Gedanken ein wenig Ordnung entstand, fragte er sich, wie er überlebt hatte. Sein Hals schmerzte noch immer dort, wo ihm die Hände des Unsichtbaren - Elmers Hände - die Luft abgedrückt hatten. Aber hier stand und ging er, in einer dunklen Welt, allein, nur begleitet vom Plätschern des Abwassers und seinem eigenen schnaufenden Atem. Was war aus Mary und José geworden? Vage entsann er sich daran, nach ihnen gerufen zu haben, ohne eine Antwort zu erhalten, und nach einer Weile begann er, daran zu zweifeln, ob es sie wirklich gegeben hatte. Viele der Personen, die in seiner Erinnerung lebten, verwandelten sich in Geister und Phantome, die immer mehr von ihrer erinnerten Realität verloren.
    Eine Zeit lang setzte Singerer einen Fuß vor den anderen und starrte in die Finsternis, ohne irgendetwas zu sehen oder zu denken. Seltsame Empfindungen regten sich in ihm, von Euphorie bis hin zu Verzweiflung, ein brodelndes emotionales Chaos, das ihn selbst ohne bewusste Gedanken nicht zur Ruhe kommen ließ. Irgendwann setzte wieder ein klarer Moment ein, und er nahm zwei Dinge zur Kenntnis: Er stand neben
einer Leiter, deren stählerne Sprossen zu einem Ausstieg emporführten, und das lähmende Brennen im linken Arm hatte fast ganz nachgelassen. Nur noch ein leichtes Stechen wies auf die Schusswunde hin. Versuchsweise bewegte Singerer den Arm und stellte fest, dass er ihn wieder benutzen konnte. Auch der Hals schmerzte nicht mehr, und als er die Druckstellen betastete, fühlte er nur noch eine leichte Schwellung.
    Vielleicht, so dachte er plötzlich mit einem Anflug von entsetzter Faszination, bin ich tot gewesen, aber nicht tot geblieben. So wie die anderen.
    Der Gedanke ließ ihn für einige Sekunden erstarren, beide Hände fest um eine Leitersprosse geschlossen. War es ihm ebenso ergangen wie den schwer verletzten Kontaminierten, die eigentlich hätten sterben müssen - oder vielleicht gestorben waren -, sich aber wieder erholt hatten? Singerer versuchte, sich die

Weitere Kostenlose Bücher