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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Müde von der langen Reise und dem Gewicht seiner Gedanken hatte sich Ignazio Giorgesi in ein Nebenzimmer zurückgezogen und auf einer Couch ausgestreckt, mit der Absicht, nur für einige Minuten die Augen zu schließen. Aber er musste sofort eingeschlafen sein, und die undeutlichen Reste düsterer Traumbilder begleiteten sein Erwachen. Eins der Bilder zeigte ihm ein Grab bei Jerusalem, das mitten in der Nacht geöffnet wurde und gar kein Grab war, sondern ein Kerker. Plötzlich drang eine laute Stimme an sein Ohr.
    »Kommen Sie, Signor Giorgesi.« Tanner stand in der offenen Tür, das Gesicht ernst wie immer. »Wir wissen, wo sie sind.«
    In den Büros herrschte ziemlicher Aufruhr. Leute eilten zwischen den einzelnen Zimmern hin und her, Computerausdrucke und andere Unterlagen in den Händen. Die meisten von ihnen sprachen auf Französisch, aber Ignazio hörte auch Gesprächsfetzen in anderen Sprachen.
    Auf dem Weg zur Tür reichte ihm Tanner mehrere Fotos.
Raffaele und Yvonne Jacek erkannte er sofort, doch die drei Männer hatte er nie zuvor gesehen.
    »Wir haben sie inzwischen identifiziert«, sagte Tanner. »Granville Tousla, Dario Deveny und Alois Lechleitner. Von den ersten beiden wissen wir, dass sie mehrere Personen ermordet haben. Lechleitner ist - beziehungsweise war - Polizeipräsident in Hamburg.«
    »Nephilim«, murmelte Ignazio. »Wo sind sie?«
    »In den Katakomben. Sie haben den Zugang bei der Place Denfert-Rochereau benutzt.«
    »Tanner!«
    Der ernste Mann vor Ignazio hatte die Tür zum Treppenhaus bereits geöffnet, blieb nun stehen und blickte an ihm vorbei. Mehrere Polizisten, wie für den Kampfeinsatz ausgerüstete Soldaten, kamen ihnen entgegen und verharrten ebenfalls. Ferdinand Benjer eilte an ihnen vorbei, mit vor Ärger rotfleckigem Gesicht. »Irgendein Idiot hat bei einer Mautstelle unweit von Paris einen Kontrollpunkt eingerichtet, und dort wurde der Wagen mit Vogler und Krystek angehalten.«
    »Der › Idiot ‹ , Messieurs, war ich.«
    Ein Mann etwa Mitte dreißig, gekleidet in die Uniform eines Offiziers der französischen Polizei, kam aus dem nächsten Zimmer, und die Polizisten nahmen sofort Haltung an. Er blieb vor Ignazio stehen und streckte ihm die Hand entgegen. »Wir hatten noch keine Gelegenheit, uns kennenzulernen, Signor Giorgesi«, sagte er auf Englisch. »Ich bin Capitaine Bernard Gérôme, Leiter der hiesigen Sonderkommission. Und Sie sind der Gesandte des Vatikans, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte Ignazio. Capitaine Gérôme machte einen
selbstsicheren, recht kompetenten Eindruck und erinnerte ihn ein wenig an den jungen Yves Montand.
    Der französische Offizier wandte sich an Benjer und Tanner. »Meine Herren«, sagte er und sprach noch immer auf Englisch. »Das Fahrzeug, mit dem Simon Krystek, Sebastian Vogler und Anna Ranzani unterwegs sind, wurde bei der Kontrolle mit einem Peilsender ausgestattet. Inzwischen hat es Paris erreicht. Einige meiner Leute haben den Wagen verfolgt, und man hat mir gerade mitgeteilt, dass Krystek und seine beiden Begleiter ihn zurückgelassen haben und zu Fuß unterwegs sind.« Ein dünnes Lächeln erschien kurz auf seinen Lippen. »Raten Sie mal, wohin.«
    »Zu den Katakomben?«, fragte Ignazio.
    »Ja. Messieurs, wir haben das gleiche Ziel.«
    Draußen warteten mehrere Einsatzfahrzeuge. Die wie Soldaten aussehenden Polizisten sprangen auf einen Lkw und überprüften ihre Waffen. Gérôme führte Tanner, Benjer und Ignazio zu einem großen Streifenwagen, dessen Motor bereits lief. Der Fahrer stieg aus und überließ dem Capitaine den Platz am Steuer.
    Als sie sich der Brücke über die Seine näherten, drehte sich Benjer nach dem Lkw um, der ihnen folgte, und brummte: »Wie viele Männer sind das? Zwanzig? Fünfundzwanzig? Damit können wir nicht viel ausrichten.«
    Capitaine Gérôme zeigte erneut sein dünnes Lächeln. »Meine Herren, mehr als dreihundert voll ausgerüstete Männer klettern derzeit an verschiedenen Stellen in die Katakomben hinab, und in spätestens einer halben Stunde folgen hundert weitere.«
    Tanner nickte anerkennend und sah Ignazio an. »Was ist
mit Ihnen, Signor Giorgesi? Haben Sie alles dabei, was Sie brauchen?«
    Ignazio blickte auf das Buch in seinen Händen hinab und strich über das in den Deckel geprägte Kreuz.
    »Ja«, sagte er und wünschte sich mehr.

53
    Paris
    B astian, um Gottes willen, wir müssen etwas tun «, flüsterte Anna.
    Sie hockten in einem dunklen Gang tief in den Katakomben von Paris, vor

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