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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Unterhalt zahlen musste.
    Regen prasselte an die Windschutzscheibe, und die Scheibenwischer surrten geduldig von einer Seite zur anderen, als sich Sebastian dem Ende der A3 näherte. Danach ging es noch ein kleines Stück über die Staatsstraße 106, bis kurz vor San Gregório die Abzweigung in Richtung Croce Valanidi und Pernasiti kam. Nur noch einige Minuten trennten ihn vom Wiedersehen mit Anna, und seine Nervosität wuchs, was ihn ärgerte. Er wollte ruhig wirken, überlegen und cool, aber stattdessen waren seine Finger kalt und hätten vielleicht sogar gezittert, wenn sie nicht fest ums Lenkrad geschlossen gewesen wären.
    Der Regen wurde noch etwas stärker, als er die Abzweigung erreichte und den Hang emporfuhr. Die von Südwesten übers Meer heranziehenden Wolken waren dunkler geworden, versprachen noch mehr Regen und vielleicht sogar ein Gewitter - Sebastian glaubte, unweit der sizilianischen Küste das Flackern eines Blitzes zu sehen. Es war erst sieben, aber schon recht düster: Im Haus brannte Licht, und Anna hatte auch die Laternen im kleinen Garten eingeschaltet.
    Er drehte den Zündschlüssel, blieb aber im Wagen sitzen und lauschte dem Prasseln des Regens. Vielleicht zögerte er zu
lange: Die Eingangstür des Hauses öffnete sich, und Anna kam mit einem Regenschirm zum Wagen.
    Sebastian gab sich einen Ruck, stieg aus und schlüpfte unter den Schirm. »Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte er verlegen.
    »Hallo, Bastian.«
    »Hallo, Anna.«
    Sie standen neben dem Wagen, die Köpfe unter dem Regenschirm, einander physisch sehr nahe. Sebastian wünschte sich an einen anderen Ort.
    »Ich schlage vor, wir gehen ins Haus«, sagte Anna. »Hier draußen ist es mir zu nass.«
    Drinnen schien sich kaum etwas verändert zu haben. An die kleine Diele mit der Garderobe schloss sich ein großer Raum an, eine gemütliche Wohnküche mit in die Decke integrierten Punktlampen. Sebastian deutete auf den uralten Lehnstuhl am wuchtigen Kamin in der Ecke. »Er ist noch immer nicht auseinandergefallen«, sagte er und dachte daran, wie oft er im Winter dort am Feuer gesessen hatte.
    Anna stellte den Regenschirm in die Ecke. »Nein. Mach es dir bequem, Bastian. Ich bin dabei, uns Spaghetti alla carbonara zu kochen. Sie sind gleich fertig. Du kannst uns eine Flasche Rotwein öffnen, wenn du möchtest.« Sie deutete zur Seite, wo mehrere Flaschen in einem Gestell ruhten.
    »In Ordnung.«
    Sebastian wählte eine Flasche, ohne aufs Etikett zu sehen, ließ stattdessen den Blick umherschweifen. Sieben Jahre lang war dies sein Zuhause gewesen; jetzt erschien ihm alles vertraut und gleichzeitig fremd. Er hatte das seltsame Gefühl, sich hier auf einem Territorium zu bewegen, das einmal seins gewesen
und ihm irgendwie abhandengekommen war. Anna hantierte hinter dem Küchentresen, und Sebastian wollte glauben, dass sie sich damit von der eigenen Nervosität abzulenken versuchte. Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Sie verfügte über ein beneidenswertes inneres Gleichgewicht, das durch fast nichts erschüttert werden konnte. Darum hatte sie Sebastian immer beneidet: um ihre Gelassenheit. Was auch geschah, sie ließ sich nicht oder nur sehr selten aus der Ruhe bringen.
    Er beobachtete sie, mal direkt und mal aus dem Augenwinkel, während sie mit Töpfen und Tellern hantierte. Anna war einen Kopf kleiner als er und zart gebaut, was über die Kraft hinwegtäuschte, die in ihr steckte. Das dunkle Haar trug sie an diesem Abend so, wie er es mochte, offen, und es fiel ihr bis über die Schultern. Wenn sie sich vorbeugte oder bückte, strich sie es manchmal mit einer Hand zurück. In dem schmalen Gesicht mit der geraden Nase fielen die großen dunklen Augen auf - Sebastian erinnerte sich deutlich daran, wie sehr er von ihnen beeindruckt gewesen war. Und von Annas Art, sich zu bewegen. Eine natürliche Eleganz kam darin zum Ausdruck, eine anmutige Weiblichkeit, die ihn sehr reizte. Er verglich ihre Bewegungen mit der Ästhetik eines Gedichts. Ihre weiche Haut hatte einen dunklen, olivfarbenen Ton. Die Hände waren schmal, die Finger lang. Die cremefarbene, ärmellose Bluse verbarg die Wölbungen der Brüste, aber die Shorts, die sie trug, brachten ihre attraktive Figur durchaus zur Geltung. Eine schöne Frau, kein Zweifel. Schön und sehr intelligent.
    Sebastian stellte sich vor, wie Massimos Hände sie berührt hatten. Und nicht nur seine Hände …
    »Du bist so still«, sagte Anna und lächelte.

    »Entschuldige, ich …« Sebastian

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