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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gehorchen.
    Ihm fielen die Augen zu …
     
    Dunkel ist diese Welt, aber nicht leer. Er ruht in der Finsternis, und er weiß, dass er nicht allein ist. Viel mehr weiß er nicht, denn die Kräfte schwinden seit langer Zeit und sind fast auf ein kritisches Niveau gesunken. Bald könnte der Schlaf beginnen, aus dem es kein Erwachen gibt, und dann ist eine Rückkehr nicht mehr möglich.
    Er wartet, ohne eine Vorstellung von der verstreichenden Zeit zu haben, und schließlich … kriecht Licht in die Finsternis. Stimmen erklingen. Er versteht sie nicht, aber es spielt auch gar keine Rolle, was sie sagen. Wichtig ist nur: Der Zugang wird geöffnet.
    Er beginnt damit, die anderen zu wecken …
     
    Sebastian öffnete die Augen.
    Draußen war es dunkel geworden, und Anna schlief an seiner Seite, halb unter dem Laken, das dunkle Haar auf dem Kissen
ausgebreitet. Wie schön sie ist, dachte er, und es war ein angenehmer Gedanke. Er fragte sich, wie spät es war, erinnerte sich vage daran, dass sie im »Gambero Rosso« essen wollten. Hatte sie einen Tisch reserviert? Und wenn schon … Es gab andere Dinge, die viel wichtiger waren.
    Dünne Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Welche Dinge?
    Die Lider schwer, schloss er die Augen.
     
    Der Junge, neun Jahre alt, mag es, sich zu verkleiden und durch Köln zu wandern, ohne von jemandem als der Sohn des Grafen erkannt zu werden. Dabei sieht er die Stadt und ihre Bürger aus einem ganz anderen Blickwinkel. Es macht Spaß und gibt ihm Gelegenheit, das eine oder andere zu lernen. Und er lernt gern, dieser adlige Knabe. Er hört zu, wie die Leute miteinander reden. Er hört, was sie sagen und wie sie es sagen, und wie die anderen Leute darauf reagieren. Worte liegen ihm. Er kennt viele, mehr als die meisten anderen Kinder in seinem Alter, und er versteht es, sie zu nutzen.
    An diesem Abend ist er in einem der Armenviertel unterwegs, und es wird bereits dunkel - höchste Zeit für ihn, nach Hause zurückzukehren. Der Junge beschließt, eine Abkürzung zu nehmen, die ihn in die unmittelbare Nähe des Rheins führt. Dort sieht er die braunen Fluten des großen Flusses vorbeiströmen, und das von der untergehenden Sonne auf dem Wasser geschaffene Glitzern fasziniert ihn so sehr, dass er stehen bleibt und es eine Zeit lang beobachtet. Als er sich umdreht, steht ein Mann da und versperrt ihm den Weg.
    Wie ein Mönch sieht er aus, gekleidet in eine graue Kutte, die Kapuze so tief in die Stirn gezogen, dass man vom Gesicht nur den Mund sieht. Es ist ein Mund mit schmalen Lippen, und er wirkt irgendwie traurig, findet der Junge. Angst hat er nicht. Aus irgendeinem Grund weiß er, dass ihm keine Gefahr droht.

    »Tritt für mich vor den Altar der Heiligen Drei Könige«, sagt der Mann. »Sprich zu den anderen Kindern dieser Stadt, und auch zu den Erwachsenen, die dir zuhören wollen.«
    Der Junge nähert sich neugierig. »Wer bist du? Und worüber soll ich sprechen?«
    »Ich habe dich ausgewählt, dich und Stephan«, sagt der Fremde. Unter der Kapuze ist noch immer nur der Mund zu sehen. »Ihr sollt die Anführer sein.«
    »Wer ist Stephan?«, fragt der Junge verwirrt. »Und was sollen wir anführen?«
    »Stephan aus Cloyes in Frankreich«, sagt der Mann. Seine Stimme klingt sanft. »Er wird seine Predigten in Vendôme halten und du hier in Köln. Dies ist euer Auftrag: Führt ein Heer aus Kindern ins Heilige Land und befreit es von den Sarazenen. Macht Jerusalem zu einer Stadt der Christen. Stephan und du: Ihr sollt die Kreuzzüge der Kinder anführen. Zieht zum Mittelländischen Meer, das sich vor euch teilen wird, und von dort aus gelangt ihr trockenen Fußes nach Jerusalem.«
    Der Junge tritt noch etwas näher. »Kinderkreuzzüge? Wer bist du?«
    Da zeigt der Mann seine Hände, die bisher gefaltet gewesen sind, und deutlich sieht der Knabe die blutigen Male in ihrer Mitte, von Nägeln geschaffen. Der Mann zieht die Füße aus den Sandalen, und sie weisen blutige Löcher auf.
    »Bist du …«, fragt der Junge und wagt nicht, den Satz zu beenden.
    Der Mann hebt die Hände und zieht die Kapuze zurück, und zum Vorschein kommt ein schmales, eingefallenes Gesicht, von Leid gezeichnet. Auf dem Kopf ruht eine Dornenkrone.
    Der Junge sinkt auf die Knie, und der Mann legt ihm die Hand aufs Haupt. »Empfange meinen Segen, Nikolaus, und wisse, dass du in meinem Auftrag handeln wirst …«

    »Nikolaus!«
    Sebastian setzte sich ruckartig auf, starrte ins Leere und blinzelte mehrmals. Draußen war es

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