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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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»Geister« gewesen war , sondern erst noch geschehen musste? Stand ihm so etwas bevor, eine Veränderung, die ihn zu einer Gefahr für Anna machte?
    »Ich habe keinen Mr. Hyde in mir«, sagte er leise. »Zumindest keinen, der zu mir gehört.«

    Er nahm das Glas Wasser, steckte sich die Tablette in den Mund und trank. »Zum Glück war das Ding weder rot noch blau«, murmelte er.
    Anna sah ihn an, mit dem Hauch eines Lächelns auf den Lippen. » Matrix ?«
    »Ja. In dem Film nimmt Thomas Anderson die rote Pille und wird dadurch zu Neo, der die wahre Natur der Welt erkennt.« Sebastian streckte sich auf dem Bett aus, ohne die goldene Steppdecke zurückzuschlagen.
    Anna trat näher und blickte auf ihn herab, als ihm die Augen zufielen. »Neo interessiert mich nicht«, sagte sie. »Ich möchte, dass du Sebastian bleibst.«
     
    Als Sebastian erwachte, lösten sich die wirren Traumbilder auf und flohen wie Schatten vor der Sonne. Er versuchte sie festzuhalten, sich zu erinnern, aber sie glitten zu schnell fort. Er öffnete die Augen und sah sich im Hotelzimmer um.
    »Anna?«
    »Ich bin im Bad. Wie geht es dir?«
    Sebastian schwang die Beine über den Rand des Bettes und setzte sich auf. »Ganz gut, glaube ich. Besser als vorher.«
    »Du hast fast zwei Stunden geschlafen.«
    Er schaute auf die Uhr. Halb acht. Anna kam aus dem Bad, gekleidet in ein smaragdgrünes Kostüm, das gut zu den dunklen Haaren passte. An den Ohren trug sie grüne Clips, die das Licht der Lampen einzufangen schienen. Die hohen Absätze der Schuhe machten sie ein wenig größer und gaben ihren Bewegungen zusätzliche Eleganz. Sebastian lächelte. »Du siehst gut aus.«
    »Danke. Ich bin so weit. Du hast das Bad ganz für dich allein.«

    Sebastian duschte und rasierte sich, und als er anschließend frische Kleidung anzog, fühlte er sich noch etwas besser. Um zehn vor acht gingen sie die Treppe hinunter ins Foyer, und der Oberkellner führte sie im Restaurant zu dem von Anna reservierten Tisch. Nur etwa die Hälfte der Tische war besetzt, aber es trafen weitere Gäste ein; der Saal füllte sich recht schnell. Die Wände waren beigefarben wie die im Zimmer, ein Ton, der gut zu den gelbbraunen Stühlen und dem etwas dunkleren Teppichboden passte.
    Anna schaute sich um. »Ist er hier?«
    »Wer?« Sebastian griff nach der Speisekarte.
    »Der Mann, den wir suchen. Simon Krystek.«
    »Nein.« Sebastian hatte sich beim Betreten des Restaurants umgesehen und einen unauffälligen Blick auf jeden Mann gerichtet, der nach ihnen hereingekommen war. Er konzentrierte sich auf die Speisekarte und stellte fest, dass die angebotenen Speisen hauptsächlich der europäischen Küche entsprachen. Nach kurzem Überlegen wählte er ein ganz normales Pfeffersteak, und die experimentierfreudige Anna entschied sich für eine lettische Spezialität. Ein Kellner nahm die Bestellung entgegen, nickte freundlich und ging. Kurz darauf kehrte er mit Lāčplēsis zurück, lettischem Bier, das hervorragend schmeckte. Sebastian musste sich zwingen, nur einen Schluck zu trinken und das Glas nicht gleich zur Hälfte zu leeren.
    »Es ist lange her, seit wir zum letzten Mal auf diese Weise zusammengesessen haben«, sagte Anna nach einer Weile.
    »In einem Restaurant?«
    »Ja.«
    Sebastian zuckte mit den Schultern. »Andere Paare gehen erst essen und dann ins Bett. Bei uns war es umgekehrt.«

    Anna lächelte, aber der Blick, den sie auf ihn richtete, hatte etwas Forschendes. Sebastian sah sich noch einmal um, aber diesmal ging es ihm nur darum, ihrem Blick auszuweichen.
    »Während du geschlafen hast …«, sagte Anna, und Sebastian begriff, dass sie ein Gespräch in Gang bringen wollte; das Schweigen war ihr unangenehm. Sie steckte noch immer voller Sorge und versuchte, sich davon abzulenken. Oder vielleicht wollte sie die alten Zeiten zurückholen. »Im Hotelzimmer liegen mehrere Broschüren über Lettland. Ich habe ein wenig darin gelesen. Es gibt hier eine lange protestantische Tradition, aber seit einiger Zeit entstehen Gruppen, die sich der vorchristlichen Religion Dievturība zuwenden, einem alten lettischen Glauben, der die Welt als einzigen lebenden Organismus betrachtet.«
    »Wie Gäa oder Gaia«, sagte Sebastian, um irgendetwas zu erwidern. Religion, ein tolles Thema, um Entspannung zu suchen. »Die Erde selbst als Gott beziehungsweise Göttin.«
    »Es gibt gewisse Parallelen«, sagte Anna. »Nach dem griechischen Mythos entstand die Erdgöttin Gaia aus dem Chaos und gebar den

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