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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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finden, Kessler. Weil wir es dringend benötigen.«
    Roland Singerer ging zur Tür. »Ihr Freund Sebastian könnte es gebrauchen. Er ist ebenfalls kontaminiert. Wissen Sie, was heute Abend in Riga geschehen ist?«
    »Nein.«
    »Es kam zu einer Schießerei im Restaurant des Hotels, in dem Ihr Freund und ein gewisser Simon Krystek abgestiegen sind. Unsere Leute waren zugegen, und als sie Krystek verhaften wollten, erschoss er zwei von ihnen und floh. Sowohl er als auch Sebastian Vogler bewegten sich mit einer Schnelligkeit, die einem gewöhnlichen Menschen eigentlich nicht möglich sein sollte. Krystek ist entkommen. Wir nahmen Vogler in Gewahrsam, um ihn nach Deutschland zurückzubringen, aber er entwischte, zusammen mit seiner Frau. Wir haben keine Ahnung, wo sie sich jetzt aufhalten. Wissen Sie es?«
    Kessler vermutete, dass sie jetzt bei dem eigentlichen Grund für Singerers Besuch waren. Es ging dem BND-Mann nicht um die Schüsse auf ihn und den Unfall; er erhoffte sich von ihm Aufschluss darüber, wo sich Sebastian befand.
    »Vogler ist ein Kontaminierter«, fügte Singerer hinzu, als
Kessler nicht antwortete. »Und alles deutet darauf hin, dass bei ihm die kritische Phase begonnen hat. Er braucht dringend Hilfe, und vielleicht müssen auch andere Menschen vor ihm geschützt werden.«
    »Ich weiß wirklich nicht, wo er ist.«
    »Na schön. Geben Sie mir Bescheid, wenn Ihnen noch etwas einfällt.« Singerer öffnete die Tür. »Ich lasse jemanden zu Ihrem Schutz zurück.«
    »Glauben Sie …«, begann Kessler erschrocken.
    »Die Verfolger hatten es auf Sie abgesehen. Vielleicht wissen sie, dass Sie hier sind. Gute Nacht.« Singerer verließ das Krankenzimmer.
     
    Wolfgang Kessler lag tief in Gedanken versunken da, als der BND-Mann gegangen war. Er versuchte, die Worte, die Roland Singerer an ihn gerichtet hatte, in die richtige Perspektive zu rücken. Es war Singerer vor allem darum gegangen, Sebastians aktuellen Aufenthaltsort zu erfahren, doch er wollte auch die Hinweise auf Krokus und die Ausbreitung der Kontaminationen an den Mann bringen. Krokus war Singerer ganz offensichtlich ein Dorn im Auge: jemand, der sich seiner Kontrolle entzog und sehr genau über die aktuellen Ereignisse Bescheid wusste. Aber inzwischen müsste Singerer eigentlich begriffen haben, dass er Krokus’ Identität gar nicht preisgeben konnte. Warum also das Gerede über Manipulation? Welche Vorteile konnten sich für Krokus durch die Weitergabe von brisanten Informationen ergeben, abgesehen von Geld?
    Vielleicht, so überlegte Kessler in der nächtlichen Stille seines Krankenzimmers, war es gar nicht Krokus, der ihn zu manipulieren versuchte, sondern Singerer, indem er ihm diesen
speziellen Floh ins Ohr setzte. Vielleicht versuchte er, ihn zu beeinflussen, indem er ihm einredete, von jemand anders beeinflusst zu werden.
    Fast eine halbe Stunde lang quälte sich Kessler mit diesen Überlegungen, die nur den einen Nutzen hatten, dass sie ihn den Schmerz im linken Bein vergessen ließen. Er versuchte, sich zu entspannen, weder an das Gespräch mit Singerer noch an die Verfolger, ihre Schüsse und den Unfall zu denken. Sebastian fiel ihm ein, und er schob auch diesen Gedanken beiseite. Morgen würde er ihn anrufen, um mehr zu erfahren. Jetzt brauchte er Ruhe.
    Irgendwann schlief er ein, träumte von dunklen Straßen, hellen Scheinwerfern und von Kugeln, die kleine runde Löcher in Glasscheiben hinterließen.
    Ein dumpfes Pochen weckte ihn. Im matten Schein des Nachtlichts sah er auf die Uhr: halb drei. Ein leises, beständiges Tropfen kam vom Fenster - draußen regnete es. Aber das Geräusch, das Kessler aus dem Schlaf gerissen hatte, war nicht von draußen gekommen, sondern vom Flur.
    Von einem Augenblick zum anderen raste sein Puls, wie im Büro, als plötzlich die Tür aufgesprungen war. Er horchte und hörte ein leises, metallenes Knirschen - jemand drückte die Klinke nach unten und öffnete die Tür. Ein heller vertikaler Spalt erschien, als Licht aus dem Flur ins Zimmer fiel, und in diesem Licht zeichnete sich eine dunkle Silhouette ab.
    Kessler öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er brachte keinen Ton hervor. Stimmbänder und Zunge waren wie gelähmt.
    Die Tür schwang etwas weiter auf, und die Silhouette kam näher; aus dem Schemen wurde eine Gestalt mit Substanz.
Wollte der Wächter, den Singerer zurückgelassen hatte, nach dem Rechten sehen?
    Kessler hörte den eigenen Herzschlag wie einen Trommelwirbel, als die Gestalt

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