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Aeon

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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Erfüllung des Zwangs, dem sie von Kindheit an erlegen war: nicht normal zu sein. Kein normales Leben zu führen, sondern sich den ungewöhnlichsten Erfahrungen hinzugeben, die nur denkbar waren. Angesichts einer derart gearteten Welt hatte sie längst erkannt, dass sie diese außergewöhnlichen Bedingungen in ihrem Kopf schaffen müsse. Und dann stellte sich die Welt auf den Kopf. Die Universen hatten sich in unverständlicher Weise verquickt und ihr eine Erfahrung beschert, die den Visionen in ihrem Kopf entlehnt war und noch wundersamer und extravaganter gestaltet wurde durch die Geschichte und das Beteiligtsein von mehreren Zehnmilliarden Menschen und wer weiß wie vielen Nichtmenschen?
    Es war kein solipsistisches Moment 18 ; sie betrachtete sich weder isoliert, noch fühlte sie sich einzigartig. Aber sie erkannte, wie außergewöhnlich ihr Leben war. Ihre innigsten, kühnsten Träume gingen in Erfüllung.
    Alles andere ist fad, dachte sie. Sogar das Heimkehren.
    Der Flieger landete weich auf der Oberfläche des Wegs. Das Klavikel in ihren Händen summte munter und besagte, dass sie einige Kilometer südlich suchen müsse. Sie gab die Information an Olmys Partiellen weiter, der den Flieger zu einem kurzen Hopser abhob.
    Droben beschleunigte das Defektschiff wieder Richtung Süden.
    Sie schloss die Augen und ließ sich von den Wahrnehmungen des Klavikels durchströmen. Ihr war, als bekäme sie Auszüge aus den gebündelten Alternativuniversen vorgesetzt, die sie kostete und erlebte; freilich konnte sie sie nicht fassen. Sie konnte mit den Empfindungen lediglich das Klavikel führen. Es wurden keine detaillierten Informationen über andere Welten geliefert, sondern lediglich angezeigt, dass sie existierten und ob sie unter die erwünschte Kategorie fielen.
    Die Partiellen brauchten keinen Schutz, sie selber allerdings schon. Also bereitete Olmy eine Traktionsblase mit Luft für sie vor. Lanier blieb an ihrer Seite. Wie viel von ihm ist hier?, fragte sie sich. Wie ist das, wenn ein Partieller zerstört wird?
    Nun widmete sie sich ganz dem Klavikel. Die vordere Luke ging auf, und Patricia betrat, in ihre flexible, leicht schimmernde Traktionsblase gehüllt, die Wegoberfläche. Lanier und Olmy, die sich völlig ungeschützt ins Vakuum begaben, gingen neben ihr her.
    »Du hast etwa ’ne halbe Stunde Zeit«, sagte Olmy, dessen Stimme der Monitor zu ihrem Halsring übertrug. »Danach erreicht die Strahlung von der Plasmafront eine gefährliche Intensität. Reicht dir die Zeit?«
    »Ich glaub schon; ich hoff’s.« Patricia überprüfte ihre Tasche und fand alles an seinem Platz: Multimeter, Prozessor, Tafeln und Blöcke.
    Sie hielt das Klavikel vor sich und suchte. Zehn Minuten lang schritt sie hin und her, auf und ab; das Klavikel übertrug das gewaltige Spektrum alternativer Welten, das sie mit jedem Schritt passierte. Sie verwarf die Wahrnehmungen aus den allermeisten davon und versuchte, ihre Sinne nicht zu überlasten.
    In weiteren zehn Minuten hatte sie eine wenige Zentimeter lange Linie ausgemacht, die den Ort zu bergen schien, den sie suchte. Sie kniete nieder, wobei die Traktionsblase bequem nachgab. Das Klavikel tastete sich durch diesen winzigen Fleck, während ihre Hände diesen kausalen Kontakt lediglich vervollständigten.
    In weiteren fünf Minuten hatte sie die Stelle auf wenige Millimeter eingegrenzt. Die Informationen aus den verschiedenen Universen wurden nun viel komplexer; Patricia war tatsächlich einer alternativen Erde auf der Spur, und die Zeit stimmte auch – plus oder minus ein paar Jahre.
    »Beeil dich!«, warnte Olmy. »Die Plasmafront ist nicht mehr weit.«
    Es war sehr schwierig. Ihre Theorie erwies sich als nicht so präzise, wie sie gehofft hatte. In den allerkleinsten Abschnitten des geometrischen Haufens waren verschieden geartete Welten verkettet. Nun leuchtete ihr ein, warum Korzenowski und Kollegen die komplex strukturierten Gebiete der geometrischen Haufen als nutzlos betrachtet hatten.
    Das Klavikel hielt inne. Patricia wusste nicht, ob sie die Gegend fein genug eingestellt hatte, aber andererseits könnte sie tagelang herumtasten, ohne dem Ziel näher zu kommen. Sie schloss die Augen und ruckte zum letzten Mal ein ganz klein bisschen.
    »Ich bin so weit«, sagte sie.
    »Dann los!«, sagte Laniers Bild, dem Patricia daraufhin ein dankbares Lächeln zuwarf.
    »Danke – für alles.«
    Lanier nickte. »Es war mir ein Vergnügen. Es war faszinierend.«
    »Find ich auch.«
    Sie

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