Aeon
wo so was drin vorkommt. In Thistledown ist das Wirklichkeit.« Zum ersten Mal erlebte Patricia ihn begeistert. Er schien gespannt ihre Reaktion abzuwarten: Wieder so ’n Spiel, bei dem man nicht weiß, was rauskommt, dachte sie. Mal sehen, wie das Mädel kreischt.
Sie ließ seinen Arm los, als ein Teil des Schachts vor ihnen transparent wurde. Sachte und behutsam wurden sie davor auf dem Boden abgesetzt.
Patricia schluckte hart. »Ich bin baff«, sagte sie stockend, »wie gut hier alles funktioniert, während in der zweiten Kammer fast nichts geht.«
Takahashi nickte, als wollte er damit besagen, was für eine interessante Frage sie angeschnitten habe, schien aber keine Antwort darauf zu wissen oder geben zu wollen. »Mir nach, bitte!«
Der Gang bog nach links und rechts ab und war im Querschnitt rund. Die Farbe wechselte Ton in Ton von Blaugrün zu Goldgelb. Man schien ständig in einem warmen Lichtkegel zu gehen. Patricia fiel auf, dass eine unsichtbare Fläche die Füße vom Flurboden trennte. »Wir gehen auf Luft«, sagte sie und kämpfte gegen einen Schauder an.
»Lieblingsillusion der Steinler. Stumpft mit der Zeit ab.« Sie hielten inne, und Takahashi deutete rechts auf den Boden. »756« leuchtete es rot unter einer lindgrünen Linie. »Das ist eine Tür, und genau da wollen wir rein. So, du hast Vortritt. Halt die Hand an die Wand, und drück leicht!«
Sie streckte die Hand vor und drückte. Ein zwei Meter zehn hohes Oval klaffte plötzlich in der Wand und gab den Blick frei auf den weißen Raum dahinter.
»Fanden die Archäologen zufällig. Stand offenbar leer vor dem Auszug und wurde von interessierten Nachmietern so ausprobiert. Alle anderen Türen im Gebäude haben einen persönlichen Code oder sind anderweitig blockiert. Und – wie du sofort feststellst, wenn d u’s probierst – Information über den Privatbereich ist in den Bibliotheken nicht erhältlich. Willkommen.«
Patricia betrat vor ihm die Diele. Der Raum war in sterilem Weiß gehalten; plumpe weiße Würfel erinnerten entfernt an Sessel und Sofa und Tisch. »Hässlich«, sagte Patricia, die sich im fensterlosen Wohnzimmer umsah. Ovale Türen führten in zwei ebenso weiße und plump möblierte Schlafzimmer – zumindest glaubte sie, dass es sich um Schlafgelegenheiten handelte.
Der einzige nicht weiße Gegenstand im Raum war ein Chrom kügelchen auf einem Podest. Neben diesem blieb Patricia stehen. »So ’n Ding wie in der Bibliothek.«
Takahashi nickte. »Tabu.« Er deutete auf die kleine Box, die an den Fuß des Podests montiert war. »Wenn man da rangeht, löst man Alarm aus in den Sicherheitsbüros.«
»Ist das eine Heimbibliothek?«
»Anzunehmen.«
»Funktionsfähig?«
»Meines Wissens hat’s noch niemand ausprobiert. Frag doch Garry!«
»Warum gibt’s hier keine Fenster? Liegt diese Wohnung im Gebäudeinnern?«
»Keine der Wohnungen hat normale Fenster.«
»Und warum so hässlich?«
»Du meinst wohl schlicht. Nun, weil sich niemand für eine persönliche Ausstattung entschieden hat. Kein Dekor und nichts, weil hier niemand gewohnt hat. Hat leergestanden, verstehst du?«
»Ja. Und was wäre zu tun, um die Wohnung auszustatten?«
»Nun, zuerst braucht man wohl eine Art Mietvertrag«, erklärte Takahashi. »Des Weiteren funktioniert’s vermutlich wie alles andere hier. Man stattet die Wohnung mit ein paar schlich ten Worten aus.«
»Herrlich«, staunte Patricia. »Und andere Wohnungen wurden nicht betreten?«
»Nicht in der dritten Kammer. Ist dicht wie ein Panzerschrank.«
»Wie wurde dann diese Wohnung aufgestöbert? Per Zufall oder was?«
»Yitshak Jacob ging sämtliche Flure in jedem Geschoss ab. Das war die einzige Wohnung mit leuchtender Nummer.«
»Wie sollte man da wissen, wo man zu Hause war?«
»Vielleicht hat beim Näherkommen die Nummer aufgeleuchtet und die Tür geöffnet. Oder sie hatten andere Methoden. Wir sind weit davon entfernt, grundlegende Vorgänge wie diese zu verstehen.«
Wenn wir die Grundlagen nicht kennen, überlegte Patricia, wie soll ich dann das Weitere verstehen … die sechste Kammer, den Korridor?
»Wir gehen denselben Weg zurück«, sagte Takahashi, »und versuchen, pünktlich zur Versammlung zu kommen.«
Sie schafften es gerade noch rechtzeitig. Die Cafeteria im ersten Lager des wissenschaftlichen Teams war umgestellt worden, sodass ein niedriges Podest mit Rednerpult und davor Sitzreihen den Speisesaal ausfüllten. Rimskaya stand beim Podest, während interessierte
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