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Aerger im Bellona-Club

Aerger im Bellona-Club

Titel: Aerger im Bellona-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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soll's? Es gibt nicht viele Häuser, in denen nicht irgendwann mal jemand gestorben ist. Wir denken deswegen nicht schlechter von den Häusern, warum soll also jetzt jemand schlecht von diesem Club denken?«
    »Sie sind ein Philosoph, Williamson.« Wimsey stieg eine kurze Marmortreppe hinauf und wandte sich in die Bar. »Der Kreis verengt sich«, murmelte er vor sich hin. »Zwischen Viertel nach zehn und halb eins. Sieht aus, als ob es ein knappes Rennen um den Dormer-Preis geben sollte. Aber – ach, was soll's! Hören wir, was Penberthy zu sagen hat.«
    Der Arzt stand bereits an der Bar und hatte einen Whisky-Soda vor sich. Wimsey verlangte ein Worthington und kam ohne Umschweife zum Thema.
    »Hören Sie mal«, sagte er, »mit Ihnen hätte ich gern ein Wörtchen über den armen Fentiman gesprochen. Streng vertraulich, versteht sich. Aber es scheint so, als ob der genaue Todeszeitpunkt des alten Knaben eine wichtige Rolle spielen sollte. Frage der Erbfolge. Verstehen Sie? Man will kein Aufsehen. Darum hat man mich als Freund der Familie und so weiter gebeten, mich ein bißchen umzuhören. Da sind Sie natürlich der erste, an den man sich wendet. Was ist Ihre Meinung? Die ärztliche Meinung, von allem anderen abgesehen?«
    Penberthy zog die Augenbrauen hoch. »So, da gibt es also eine Frage? Hab ich mir doch schon gedacht. Dieser Rechtsanwalt, ich weiß nicht mehr, wie er heißt, war neulich hier und wollte mich festnageln. Der schien zu glauben, man kann den genauen Todeszeitpunkt eines Menschen durch einen bloßen Blick auf seine Backenzähne feststellen. Ich habe ihm gesagt, das ist nicht möglich. Wenn man diesen Leuten nur schon seine persönliche Meinung verrät, steht man als nächstes als Zeuge vor Gericht.«
    »Ich weiß. Aber eine ungefähre Vorstellung hat man doch.«
    »Das schon. Aber man muß seine Vorstellung dann an anderen Dingen messen – an Tatsachen zum Beispiel. Man kann da nicht ins Blaue spekulieren.«
    »Spekulationen sind immer gefährlich. Zum Beispiel – nehmen wir diesen Fall. Ich habe in meinem kurzen Leben schon die eine oder andere Leiche gesehen, und wenn ich hier zu spekulieren anfangen wollte, nur vom Aussehen der Leiche her, wissen Sie, was ich da gesagt hätte?«
    »Weiß der Himmel, was ein Laie zu einer medizinischen Frage sagen würde«, versetzte der Arzt mit mißmutigem Grinsen.
    »Hört, hört! Jedenfalls hätte ich gesagt, daß er schon lange tot war.«
    »Das ist sehr ungenau.«
    »Sie haben selbst gesagt, daß die Totenstarre schon sehr weit fortgeschritten war. Geben wir ihr sechs Stunden zum Einsetzen und – wann ist sie übrigens abgeklungen?«
    »Sie war schon im Abklingen – das habe ich damals gleich gesagt.«
    »Stimmt. Und ich dachte, der Rigor mortis dauert gewöhnlich etwa vierundzwanzig Stunden.«
    »Ja, manchmal. Manchmal geht es auch schneller vorbei. Die Faustregel heißt: Schnell gekommen, schnell gegangen. Aber ich bin ganz Ihrer Meinung und würde den Todeszeitpunkt in Ermangelung anderer Hinweise auf früher als zehn Uhr festgesetzt haben.«
    »Das geben Sie zu?«
    »Ja. Aber wir wissen, daß er frühestens Viertel nach zehn hier angekommen sein kann.«
    »Sie haben also auch mit Williamson gesprochen?«
    »Aber ja. Ich hielt es für besser, alles so weit wie möglich zu klären. Ich kann also nur vermuten, daß durch den plötzlich eingetretenen Tod und die Wärme im Raum – er saß ja, wie Sie wissen, nah beim Feuer – die Totenstarre sehr schnell eingesetzt hat und auch wieder sehr schnell abgeklungen ist.«
    »Hm. Sie kannten den Gesundheitszustand des alten Herrn natürlich sehr gut.«
    »Doch, ja. Er war sehr schwach. Das Herz zeigt Verschleißerscheinungen, wenn das Alter erst mit einer Neun anfängt. Ich hätte mich schon seit einiger Zeit nicht mehr gewundert, wenn er irgendwo tot umgefallen wäre. Und dann hatte er ja auch einen kleinen Schock hinter sich.«
    »In welcher Form?«
    »Er hatte am Nachmittag zuvor seine Schwester besucht. Ich nehme an, das hat man Ihnen schon erzählt, da Sie ja auch sonst alles wissen. Hinterher ist er zu mir in die Harley Street gekommen. Ich habe ihm geraten, sich zu Bett zu legen und zu ruhen. Der Kreislauf war sehr geschwächt, und sein Puls ging unregelmäßig. Er war natürlich aufgeregt. Er hätte völlige Ruhe gebraucht. Aber wie ich sehe, muß er trotz allem aufgestanden sein, obwohl er sich so schwach fühlte, und hierhergekommen sein – sieht ihm ähnlich – und dann ist er gleich

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