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Aerger im Bellona-Club

Aerger im Bellona-Club

Titel: Aerger im Bellona-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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zusammengebrochen.«
    »Schön und gut, Penberthy – aber wann – wann genau ist das passiert?«
    »Das mag der Himmel wissen. Ich jedenfalls nicht. Noch einen?«
    »Danke, nein; im Augenblick nicht. Sagen Sie – ich nehme an, Sie sind sich in alledem vollkommen sicher, ja?«
    »Sicher?« Der Arzt sah ihn groß an. »Ja, natürlich. Wenn Sie meinen, was die Todesursache angeht – ja, da bin ich sicher. Wenn ich nicht sicher wäre, hätte ich keinen Totenschein ausgestellt.«
    »Und an der Leiche ist Ihnen nichts komisch vorgekommen?«
    »Was zum Beispiel?«
    »Sie wissen so gut wie ich, was ich meine«, sagte Wimsey, indem er dem andern plötzlich voll in die Augen sah. Die Veränderung in seinem Gesicht war geradezu erschreckend. Es war, als ob eine stählerne Klinge plötzlich aus ihrem samtenen Futteral geschossen wäre. Penberthy hielt seinem Blick stand und nickte langsam.
    »Ja, ich weiß, was Sie meinen. Aber nicht hier. Gehen wir lieber in die Bibliothek. Dort ist bestimmt niemand.«

5

- und findet die Farbe blockiert

    In der Bibliothek des Bellona-Clubs war nie jemand. Es war ein großer, stiller, gemütlicher Raum, mit nischenförmig angeordneten Bücherregalen. In jeder dieser Nischen standen ein Schreibtisch und drei, vier Stühle. Hin und wieder kam hier jemand herein, um etwas im Times Atlas nachzusehen oder in einem Buch etwas über Strategie und Taktik nachzulesen oder nach einer alten Regimentsliste zu suchen, aber meist war die Bibliothek leer. Wenn man in der entferntesten Nische saß, ummauert von Büchern und Stille, konnte man eine vertrauliche Unterhaltung so ungestört führen wie in einem Beichtstuhl.
    »Nun«, sagte Wimsey, »was ist damit?«
    »Mit – ?« erkundigte sich der Arzt mit professioneller Vorsicht.
    »Mit dem Bein.«
    »Ich möchte nur wissen, ob das sonst noch jemand gemerkt hat«, sagte Penberthy.
    »Das glaube ich kaum. Ich selbst hab's natürlich gemerkt. Aber schließlich ist so etwas mein Steckenpferd. Kein populäres vielleicht – >ein übel aussehend Ding, Herr, aber mein eigen<. Ich habe überhaupt so eine Vorliebe für Leichen. Aber da ich nicht so recht wußte, was es zu bedeuten hatte, und weil ich sah, daß Sie offenbar die Aufmerksamkeit nicht darauf lenken wollten, habe ich mich nicht aufgedrängt.«
    »Ja – ich wollte zuerst selbst darüber nachdenken. Es bedeutete ja auf den ersten Blick etwas ziemlich –«
    »Unerfreuliches«, sagte Wimsey. »Wenn Sie wüßten, wie oft ich dieses und ähnliche Worte in den letzten beiden Tagen schon gehört habe! Aber sehen wir den Dingen ins Gesicht. Gestehen wir ohne Umschweife, daß eine einmal eingesetzte Totenstarre bleibt, bis sie abzuklingen beginnt, und daß sie, wenn sie abzuklingen beginnt, damit für gewöhnlich im Gesicht und am Kinn anfängt und nicht plötzlich in einem Kniegelenk. Nun waren Fentimans Gesicht und Kinn aber noch so starr wie Holz – ich hab's gefühlt. Das linke Bein hing dagegen locker, vom Knie abwärts. Wie erklären Sie das?«
    »Es ist ausgesprochen rätselhaft. Wie Sie zweifellos wissen, ist die nächstliegende Erklärung die, daß jemand oder etwas das Gelenk mit Gewalt gelockert hat, nachdem die Totenstarre eingesetzt hatte. In diesem Falle wäre es natürlich nicht wieder steif geworden. Es wäre locker geblieben, bis der ganze Körper sich entspannt hätte. Aber wie das gekommen ist –«
    »Das ist genau die Frage. Tote laufen nicht herum und klemmen ihre Beine irgendwo ein, um ihre steifen Knie zu lockern. Und wenn jemand den Toten so gefunden hätte, würde er es doch sicher gemeldet haben. Oder können Sie sich vorstellen, daß zum Beispiel einer der Kellner, wenn er einen alten Herrn steif wie einen Schürhaken im besten Lehnsessel des Clubs findet, ihm einen Tritt gegen das Knie versetzt und ihn dann so liegen läßt?«
    »Das einzige, was ich mir vorstellen kann«, sagte Penberthy, »ist, daß ein Kellner oder sonst jemand ihn gefunden und versucht hat, ihn von der Stelle zu bewegen – und dann hat er Angst bekommen und ist weggerannt, ohne etwas zu sagen. Das klingt natürlich absurd. Aber die Leute tun absurde Dinge, besonders wenn sie erschrocken sind.«
    »Aber wovor hätte hier einer erschrecken sollen?«
    »Ein nervöser Mensch kann da schon erschrecken. Wir haben hier einige Fälle von Bombenneurose, für die ich im Ernstfall nicht die Hand ins Feuer legen möchte. Es wäre vielleicht angezeigt, sich zu erinnern, ob sich jemand an diesem Tag besonders erregt oder

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