Aerger im Bellona-Club
sind.«
Die Frau trat vom Eingang zurück und ließ ihn vorbei. Er legte seinen Hut und Stock auf den Tisch und drehte sich zu ihr um. Sie nahm keine Notiz von ihm, sondern ging zum Kamin und blieb dort stehen, eine Hand auf dem Sims. Da Wimsey sich nicht setzen konnte, solange sie stand, ging er zum Modelliertisch hinüber und hob das nasse Tuch hoch, das den kleinen Tonklumpen zudeckte.
Er betrachtete mit der Miene größten Interesses die halbfertige Figur einer Blumenverkäuferin, als die Frau sagte: »Hören Sie mal!«
Sie hatte das Figürchen, das Marjorie Phelps von ihm gemacht hatte, in die Hand genommen und drehte es zwischen den Fingern.
»Sind Sie das?«
»Ja – ist doch gut gelungen, finden Sie nicht?«
»Was wollen Sie?«
»Wollen?«
»Sie sind doch hierhergekommen, um mich zu begutachten, oder?«
»Ich wollte Miss Phelps besuchen kommen.«
»Dann will der Polizist dort an der Ecke wohl auch nur Miss Phelps besuchen?«
Wimsey sah zum Fenster hinaus. Da stand wirklich ein Mann an der Ecke – ein betont unauffälliger Müßiggänger.
»Entschuldigung«, sagte Wimsey, dem plötzlich ein Licht aufging. »Ich bedaure es aufrichtig, so einen dummen und aufdringlichen Eindruck gemacht zu haben. Aber ich hatte wirklich bis zu diesem Augenblick keine Ahnung, wer Sie waren.«
»Nein? Na ja, spielt auch keine Rolle.«
»Soll ich gehen?«
»Sie können tun, was Ihnen beliebt.«
»Wenn Sie das wirklich ernst meinen, Miss Dorland, dann möchte ich lieber bleiben. Ich wollte Sie nämlich schon lange einmal kennenlernen.«
»Wie nett von Ihnen«, höhnte sie. »Zuerst wollten Sie mich betrügen, und jetzt versuchen Sie mich «
»Was?«
Sie zuckte mit den breiten Schultern.
»Ihr Steckenpferd ist nicht sehr erfreulich, Lord Peter Wimsey.«
»Werden Sie mir glauben«, fragte Wimsey, »wenn ich Ihnen versichere, daß ich mit dem Betrugsversuch nichts zu tun hatte? Ich habe ihn sogar aufgedeckt. Wirklich.«
»Meinetwegen. Das spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr.«
»Aber glauben Sie es mir bitte.«
»Na schön. Wenn Sie es sagen, muß ich es wohl glauben.«
Sie setzte sich auf die Couch am Kamin.
»So ist es besser«, sagte Wimsey. »Napoleon oder sonst jemand hat einmal gesagt, daß man aus einer Tragödie immer eine Komödie machen kann, indem man sich hinsetzt. Stimmt vollkommen, nicht wahr? Reden wir über irgend etwas ganz Gewöhnliches, bis Miss Phelps zurückkommt. Sollen wir?«
»Worüber möchten Sie reden?«
»Hm, ja – das ist jetzt ein bißchen schwierig. Bücher.« Er machte eine unbestimmte Geste. »Was haben Sie in letzter Zeit so gelesen?«
»Nicht viel.«
»Ich wüßte nicht, was ich ohne Bücher machen sollte. Eigentlich frage ich mich immer, was die Leute früher getan haben. Stellen Sie sich das doch nur mal vor. Man hat allen möglichen Ärger – Ehestreit und Liebesaffären – verlorene Söhne und Dienstboten und Sorgen – und keine Bücher, in die man sich verkriechen kann.«
»Dafür haben die Leute mit den Händen gearbeitet.«
»Ja – das ist auch furchtbar schön für Leute, die das können. Die beneide ich selbst. Sie malen, nicht wahr?«
»Ich versuche es.«
»Porträts?«
»N-nein – hauptsächlich Figuren und Landschaften.«
»Aha! ... Ein Freund von mir – ach was, wozu soll ich drumherumreden? – er ist ein Kriminalbeamter – Sie haben ihn einmal kennengelernt, glaube ich.«
»Ach der? O ja. Ein ziemlich höflicher Kriminalbeamter.«
»Er hat mir erzählt, daß er ein paar von Ihren Werken gesehen hat. Er war, glaube ich, ziemlich überrascht. Er ist nicht gerade ein Anhänger der modernen Malerei. Ihre Porträts schien er für Ihre besten Arbeiten zu halten.«
»Es gab nicht viele Porträts zu sehen. Ein paar Figurenstudien ...«
»Die haben ihm einiges Kopfzerbrechen bereitet.« Wimsey lachte. »Das einzige, was er verstand, war ein Männerkopf in Öl, sagt er.«
»Ach der! Nur ein Experiment – ein Phantasiekopf. Meine besten Arbeiten sind ein paar Studien von den Wiltshire Downs, die ich vor ein, zwei Jahren gemacht habe. Direkt gemalt, ohne vorherige Zeichnung.«
Sie beschrieb ihm einige von diesen Werken.
»Klingt verlockend«, sagte Wimsey. »Wunderbar. Ich wollte, ich könnte so etwas auch. Aber wie gesagt, wenn ich entfliehen will, muß ich auf Bücher zurückgreifen. Lesen ist für mich Flucht. Für Sie auch?«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun – für die meisten Menschen ist es das, glaube ich. Dienstmädchen und
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