Aerzte zum verlieben Band 48
ihn hatte. „Ja, Schnickschnack. Das hat meine Mutter immer gesagt.“
Nachdenklich sah sie ihn an. „Weißt du, ich habe diese Sachen nie vermisst. Selbst als Teenager war es mir nicht wichtig, die neuesten Klamotten zu haben. Selbst heute komme ich ohne all dieses technische Zeugs wie MP3-Player oder Smartphone aus, das für andere Leute überlebenswichtig zu sein scheint. ‚Was machst du denn beim Sport?‘, werde ich oft von meinen Freunden gefragt. Doch wenn ich spazieren gehe – und das ist meine einzige sportliche Betätigung –, dann will ich nachdenken und mich nicht mit Musik berieseln. Hat außer mir denn niemand das Bedürfnis, gelegentlich in Ruhe sein Leben zu überdenken?“
Inzwischen bedauerte Jorge es sehr, diesen Ausflug vorgeschlagen zu haben, denn es war genau diese Sicht der Dinge, die ihn von Anfang an an Caroline fasziniert hatte. Sie hatte eine ganz eigene Art, die Welt zu betrachten, und je mehr er sich darauf eingelassen hatte, desto stärker hatte er sich in sie verliebt.
Er hatte schon öfter mit Frauen zusammengearbeitet, und mit vielen von ihnen hatte er sich mit der Zeit angefreundet, doch es war nie so gewesen wie bei Caroline, die immer neue Seiten ihrer Persönlichkeit offenbart hatte. Je mehr er von ihr erfahren hatte, desto stärker hatte er sich gewünscht, sie noch besser kennenzulernen.
Doch das war jetzt vorbei. Diesmal würde er sich von ihr fernhalten.
Doch er musste jetzt antworten. „Vielleicht brauchen die meisten Menschen immer irgendeine Ablenkung.“
Sie sah ihn skeptisch an. „Wenn das stimmen sollte, dann finde ich es ganz schön beängstigend. Jeder Mensch muss sich doch ab und zu Zeit zum Nachdenken nehmen. Wahrscheinlich denken die Menschen abends mit den Kopfhörern im Ohr nach. Wenn sie im Bett liegen zum Beispiel.“
Kaum hatte sie ihre Überlegungen ausgesprochen, wünschte Caroline sich, sie zurücknehmen zu können. Wahrscheinlich fiel es Jorge gar nicht auf, doch für sie selbst löste allein das Erwähnen eines Bettes in seiner Gegenwart eine Flut von Erinnerungen aus. Sie sehnte sich so sehr nach ihm. Vielleicht war es Jorge damals wirklich nur um Sex gegangen, doch für sie hatte es sich wie Liebe angefühlt. Weder vorher noch danach war sie je wieder so glücklich gewesen.
„Was für eine schwachsinnige Unterhaltung“, murmelte sie und schob die Gedanken an die Vergangenheit beiseite. So viel zu ihrer inneren Gelassenheit …
„Wie geht es unserem Patienten?“ Fachliche Diskussionen waren weit weniger verfänglich.
Jorge war zwar verblüfft über ihren abrupten Themenwechsel, aber auch ein wenig erleichtert darüber, wieder auf sicherem Terrain zu sein. „Warum fragst du?“
Verwundert sah Caroline ihn an. „Warum ich frage?“ Endlich konnte sie ihrem Frust zumindest ein wenig Luft machen. „Was glaubst du denn, weshalb ich frage? Es interessiert mich halt, denn ich war an seiner Behandlung ja nicht ganz unbeteiligt.“
War ihr Wiedersehen für sie genauso anstrengend wie für ihn? Konnte es möglich sein, dass ihre demonstrative Stärke und Gelassenheit nur gespielt waren?
Jorge hatte keine Ahnung. Und er kannte sie nicht mehr gut genug, um ihre Reaktion einschätzen zu können. Aber er war sich sicher, eine Spur von Ärger in ihrer Stimme gehört zu haben, der tief in ihrem Innern zu brodeln schien.
Es fiel ihm schwer, den Gedanken zuzulassen, dass Caroline genauso unter dieser absurden Situation litt wie er. Doch er hatte sie ja tatsächlich im Stich gelassen – mit einem Baby, wie er jetzt wusste. Es war vermutlich nur fair, wenn er etwas weniger feindselig war.
„Unser Patient ist noch immer stark sediert, damit sein Körper sich von den Verletzungen und der Amputation erholen kann, bevor er das Ausmaß der Katastrophe mental verarbeiten muss.“
Ellas Rufen aus dem Schlafzimmer beendete die ungemütliche Unterhaltung. Sofort gingen die beiden zu ihrer Tochter, die mit zerzaustem Haar und geröteten Wangen im Bett saß.
Wieder überfiel Jorge ein überwältigendes Gefühl von Liebe für dieses kleine Mädchen, das so unverhofft in sein Leben getreten war.
„Komm her, mein Schatz“, sagte Caroline und hob sie Kleine aus dem Bett. „Wir ziehen dich jetzt an, und dann fahren wir in die Stadt.“
„Kommt Chor-cheh auch mit?“
„Ja, Chor-cheh kommt mit“, versprach Caroline, und Jorge überlegte, ob er überhaupt Wert darauf legte, Papá genannt zu werden. Es hörte sich einfach wundervoll an, wie Ella
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