Aerzte zum verlieben Band 55
war, wie er vorher gelebt hatte. Verzweiflung krallte sich in ihn, drohte ihn in das dunkle Loch zu zerren, aus dem er sich mühsam immer wieder hervorgearbeitet hatte.
Hayley würde operieren. Leben retten. Und er? Patschte mit der Hand in kaltes Essen und warf Teller zu Bruch. Tom rang nach Atem. Was nützte es ihm, dass Hayley nach sonnigen Gärten duftete oder dass ihre heisere Stimme Verlangen in ihm weckte wie eine leidenschaftliche Liebkosung? Wenn der Versuch, ein normales Leben zu führen, ihn nur daran erinnerte, was er alles verloren hatte, würde er ein für alle Mal darauf verzichten.
âWayan!â, rief er ungehalten, ohne sich darum zu scheren, dass ihn alle anderen Gäste sicher anstarrten, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank.
âJa, Tom?â
âBringen Sie mir den Rest Rotwein. Sofort.â
Er hatte erst ein Glas aus der Flasche getrunken, aber Tom war fest entschlossen, sich mit Connawarras bestem Merlot zu betäuben und Hayley Grey zu vergessen.
4. KAPITEL
Hayley schlug die Augen auf, blinzelte in das Sonnenlicht, das durch die offenen Gardinen ins Zimmer schien. Seufzend reckte und streckte sie sich. Je heller das Licht war, umso besser konnte sie schlafen. Und heute strahlte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel.
Hayley hatte frei, und wie an jedem freien Tag stand auch heute Lernen auf dem Plan.
Sie schlug die Bettdecke zurück und stand auf, ging geradewegs in die Küche, um sich eine Kanne Earl-Grey-Tee zu kochen und einen Teller mit knusprigem Buttertoast zu machen.
Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, schlug sie ihren Lernplaner auf, um nachzusehen, was sie sich für heute vorgenommen hatte. Doch der Schwung, mit dem sie sonst die Aufgaben anging, blieb aus. Zum ersten Mal verspürte sie das überwältigende Bedürfnis, ihren freien Tag völlig anders zu verbringen als sonst.
Hayley war Einsamkeit gewöhnt. Sie begleitete sie, seit an jenem verhängnisvollen Tag ihre geliebte Zwillingsschwester gestorben war. Zwar hatte Hayley Freundschaften geschlossen, doch das Loch, das der Tod der Schwester gerissen hatte, füllte sich nie wieder.
Irgendwann hatte sie es akzeptiert, dass zwischen ihr und anderen immer eine gewisse Distanz bleiben würde. Auch zu Männern. Natürlich hatte sie Bedürfnisse, und es hatte zwei gute Freunde gegeben, mit denen sie gelegentlich ins Bett ging â einen damals auf der Universität, den anderen letztes Jahr in England. Beide Beziehungen waren in die Brüche gegangen, als die Männer mehr wollten. Inzwischen waren sie glücklich verheiratet mit Frauen, die sie von Herzen liebten. Hayley machte es nichts aus, im Gegenteil, sie war froh darüber, denn sie hätte ihnen das niemals geben können.
Und seit sie wieder in Sydney war, hatte sie sich mit Feuereifer auf die Arbeit und die Vorbereitung für ihre letzte groÃe Prüfung gestürzt.
Finn Kennedy hatte recht. Das Examen war schwer, die meisten kamen nicht durch. Hayley war allerdings entschlossen, schon im ersten Anlauf zu bestehen. Deshalb durfte sie sich auch durch nichts von ihrem Ziel ablenken lassen.
Das Dinner mit Tom Jordan hat dir gefallen.
Der Kessel pfiff, und Hayley goss das heiÃe Wasser über die Teeblätter. Tief atmete sie den belebenden Duft nach Bergamotte ein. Zu ihrer Ãberraschung war es gar nicht so schrecklich gewesen, mit Tom zu Abend zu essen. Sie fand seine Art, eine Unterhaltung zu führen, erfrischend anders im Vergleich zu anderen âersten Abendenâ.
Es war doch kein Date.
Ich weiÃ.
Rasch strich sie Butter auf ihren Toast. Aber sie musste zugeben, dass Tom mit seinem rauen Charme und der tiefen Stimme ihr nicht mehr aus dem Sinn gegangen war. Und wenn sie an ihn dachte, wurde sie seltsam kribbelig und unruhig. Dir fehlt der Sex, dachte sie. Eine heiÃe Nacht, und alles ist wieder im Lot.
Aber nicht mit Tom Jordan.
Nein, bestimmt nicht. Der Mann hatte etwas Dunkles, Düsteres an sich, und das war nichts für sie. Hayley brauchte Licht und Sonnenschein.
Das Problem war nur, dass sie in wenigen seltenen Momenten den Mann hinter der sarkastischen, harten Fassade erspürt hatte. Den Tom Jordan, der er früher gewesen war, bevor er unter Zorn und Verzweiflung begraben wurde. Und diesen Mann wollte sie wiedersehen.
Ihr stieg das Blut in die Wangen, als sie sich daran erinnerte, wie sie während der Notoperation drei
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