Aerzte zum Verlieben Band 57
jetzt nicht gebrauchen konnte.
Sie stellte immer Fragen, die er nicht gebrauchen konnte …
Charlie hatte einen langen, anstrengenden Tag hinter sich.
Der letzte Eingriff für heute war eine komplizierte Hüftoperation, die ihm äußerste Konzentration abverlangte. Doch er musste höllisch aufpassen, dass seine Gedanken nicht immer wieder zu Bella abschweiften – mit dem Ergebnis, dass er sich hinterher wie gerädert fühlte.
Er nahm sich vor, bei einem Feierabendbier in Pete’s Bar zu entspannen, bevor er nach Hause ging. Zuerst jedoch wollte er Bella sehen, ihre Stimme hören. Und wenn er an ihrem Bett sitzen und warten musste, bis sie aufwachte … Bei ihr überkam ihn eine Ruhe, die ihn den verrückten Alltag schnell vergessen ließ.
Bisher hatte Schwimmen geholfen. Wenn er im Olympiabecken seine Runden drehte, fiel der ganze Stress von ihm ab.
Doch in letzter Zeit fand er den gleichen Frieden, wenn er bei Bella war.
Charlie machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Durch die Scheibe sah er Evie am Bett sitzen. Ein chirurgischer Mundschutz bedeckte zur Hälfte ihr Gesicht, aber Charlie fiel sofort auf, dass Evies Augen geschwollen und gerötet waren. Sie hielt Bellas Hand, und Bella lag nur still und blass da.
Einen erschreckenden Moment lang befürchtete Charlie das Schlimmste, bis ihm klar wurde, dass die Überwachungsgeräte Puls und Blutdruck anzeigten.
Evie blickte auf, entdeckte ihn und erhob sich. Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, zog sie sich den Mundschutz vom Gesicht. Die Tränenspuren auf ihren Wangen waren nicht zu übersehen.
„Was ist, Evie? Warum weinst du?“ Das mulmige Gefühl, das ihn den ganzen Tag begleitet hatte, meldete sich mit Macht zurück.
„Ihr geht’s schlechter, Charlie. Ich habe das Gefühl, sie gibt auf.“ Evie kämpfte mit den Tränen.
„Aber warum?“
„Wenn ich das wüsste.“
„War Sam schon da?“
Evie nickte. „Er konnte auch nicht sagen, was sie hat. Ihr physischer Zustand ist unverändert.“
„Ist heute irgendetwas gewesen? Hat sie sich aufgeregt? Bedrückt sie etwas?“
„Miranda war hier.“
„Eure Mutter? Was wollte sie?“ Wie Charlie wusste, war für alle Lockheart-Schwestern jede Begegnung mit der Mutter alles andere als entspannt.
„Anscheinend hatte Bella sie darum gebeten.“
„Und warum?“
„Das hat sie mir nicht gesagt. Sie hat überhaupt nicht gesprochen. Die Schwestern erzählten mir, dass Bella sie gebeten hätte, Miranda anzurufen. Und jetzt liegt sie stumm da und sagt keinen Ton!“
„Aber sie ist wach, oder?“
„Ja.“ Die Verzweiflung war ihr anzuhören. „Kannst du mit ihr reden? Vielleicht findest du ja heraus, was los ist. Sie darf sich nicht aufgeben, sie muss kämpfen!“
„Bella scheint zu denken, dass eure Mutter die Familie ihretwegen verlassen hat. Weil sie krank ist. Stimmt das?“
„Das hat sie dir erzählt?“, fragte Evie ungläubig.
Charlie nickte ernst.
„Miranda und Richard haben nie über die Gründe gesprochen“, meinte sie nachdenklich. „Bei Bellas Geburt war ich fünf, vieles weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur, dass unsere Mutter sich jeden Tag hingelegt hat, weil sie Kopfschmerzen hatte. Dann durfte ich sie nicht stören. Vielleicht hat sie da schon mit dem Trinken angefangen. Vier Jahre später ist sie gegangen. Damals war Bella vier und Lexi zwei.“ Sie blickte auf. „Kann sein, dass unser Vater entschieden hat, dass sie auszieht. Er hat ihr eine Wohnung gekauft und versorgt sie auch finanziell. Allerdings hat er sie nach der Trennung nie mit uns allein gelassen. Immer war ein Kindermädchen dabei.“ Evie zuckte mit den Schultern. „Miranda ist alkoholabhängig und depressiv. Wenn du mich fragst, sie hätte auch ohne Bellas Krankheit Probleme gehabt. Ich glaube, sie gehört zu den Menschen, für die das Leben ein ewiger Hürdenlauf ist, bei dem sie immer wieder straucheln. Ihr Verhalten hat uns alle drei beeinflusst, aber mit der Zeit lernst du, es entweder nicht mehr zu beachten oder es zu akzeptieren.“
„Du und Lexi vielleicht, aber bei Bella glaube ich das nicht. Ich werde versuchen, mit ihr zu reden. Versprechen kann ich nichts.“
„Sie hat dir in letzter Zeit viel erzählt, du bist meine letzte Hoffnung.“ Evie streifte ihren Kittel ab und warf ihn in den Wäschekorb.
In steriler Kleidung betrat Charlie bald darauf das Zimmer. Irgendetwas stimmte nicht, aber er brauchte einen Moment, bis er begriff, was es war. Die persönlichen Dinge fehlten.
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