Aerzte zum Verlieben Band 58
gesessen hat.“
Marco zuckte zusammen.
„Im Gefängnis?“ Emilys entsetzte Reaktion war eindeutig und zog einen Schlussstrich. Endgültig. Marco seufzte. Er sah das Gesicht des Jungen vor sich, verspürte starkes Mitgefühl. Die vergangenen Jahrzehnte schrumpften zusammen, und es war, als wäre es gestern gewesen, dass ihn die Nachbarn misstrauisch musterten, die Polizei strenge Fragen stellte.
Er wandte sich ab. Und du hast gedacht, dass du ihr von deiner Vergangenheit erzählen kannst, dachte er. Oder davon, warum du niemals eine Familie gründen willst. Er hatte geglaubt, es würde ihr nichts ausmachen.
Aber jetzt wusste er, was sie denken würde. Und warum auch nicht? Alle anderen würden genauso reagieren. Marco ging weiter, jeder Schritt wie ein Ausrufungszeichen hinter seinem Entschluss. Er würde sich fernhalten, Emily aus dem Weg gehen, bis es Zeit war, Sydney wieder zu verlassen. Bald.
Er drückte auf den Fahrstuhlknopf, betrat die Kabine, als sich die Türen öffneten. In seine Gedanken versunken, achtete er nicht auf den Mann in der Ecke.
„Was hast du heute hier zu suchen?“, ertönte eine knurrige Stimme.
Marco blickte auf. Eisblaue Augen musterten ihn. Es war Finn Kennedy, der sich mit ausdrucksloser Miene die Schulter rieb.
„Ich sehe nur nach meinen Patienten. Und du?“, schlug er den Ball zurück, in Gedanken noch bei Emily.
„Auch.“ Finn nickte. „Gehen wir was trinken?“
Emily versuchte zu begreifen, was hier gerade passierte. Vor ihr saß eine junge Frau, ihre Tochter, und doch kannte sie sie nicht. „Im Gefängnis?“, wiederholte sie. „Und Rodney?“
„Siehst du, ich wusste es. Was hat Rodney damit zu tun, dass sein Bruder Fehler gemacht hat? Rodney hat ein schweres Leben gehabt, aber er ist trotzdem ein guter Mensch!“
„Annie.“ Emily setzte sich aufs Bett. „Es kümmert mich nicht, wie Rodneys Familie ist. Wichtig ist mir nur, wie Rodney selbst ist, ob er dich glücklich macht. Ob er dich und euer Baby liebt und ob er euch beide gut behandelt.“
Annies Unterlippe fing an zu zittern. „Ich dachte, du siehst auf ihn herab, weil sein Bruder im Gefängnis war. Weil du denkst, dass ich für immer an eine … schwierige Familie gebunden bin.“
„Warum sollte ich? Dein Vater stammt aus einer angesehenen, wohlhabenden Familie. Ein Mal im Jahr schicken seine Eltern mir Geld für dich, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er mich – und dich – fallen gelassen hat wie eine heiße Kartoffel.“ Emily streichelte ihre Hand. „Dein Vater hat mich nie im Krankenhaus besucht, Rodney dich schon. Das kann ich ihm nur hoch anrechnen. Aber …“, fuhr sie mit fester Stimme fort, „… sollte er dich jemals schlecht behandeln, bekommt er es mit mir zu tun!“
Annie zuckte mit den Schultern. „Wenn er das tut, sieht er mich nie wieder.“
„Das ist mein Mädchen.“
Sie sahen einander an, dann streckte Annie die Arme aus. „Es tut mir leid, Mum. Ich hätte es dir sagen sollen.“
Emily drückte sie fest an sich. „Haben wir uns deshalb in letzter Zeit so oft gestritten?“
„Ja. Ich fand es schrecklich, Geheimnisse vor dir zu haben. Deshalb war ich so zickig. Ich hätte wissen müssen, dass du mich verstehen würdest.“
Der Kloß in ihrem Hals wurde größer, und Emily musste schlucken. Sie blickte zu der Plastiktüte, die sie vorhin auf dem Tisch abgestellt hatte. „Ich hatte uns Eis mitgebracht, weil ich mich allein gefühlt hatte und bei meinem Baby sein wollte. Hoffentlich ist es nicht zu Soße geworden.“
Emily zog eine tropfende Waffeltüte hervor und reichte sie Annie. Die nahm sie und pulte mit spitzen Fingern das Papier ab. Das weiche Eis hielt sich gerade noch auf der Waffel. Annie grinste betreten. „Tut mir leid.“
„Schon gut.“ Emily holte ihrs heraus, und es sah noch schlimmer aus. Die beiden Frauen kicherten ausgelassen.
Damit kein Eis aufs Bett kleckerte, legte Emily ein Handtuch zwischen sie beide. „Ich muss mir immer wieder klarmachen, dass ich nicht ewig für dich verantwortlich bin. Du hast dein eigenes Leben. Aber wenn du so weit bist, erzähl mir von Rodney und von deinen Plänen.“
„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich liebe ihn.“
Das kam so selbstverständlich heraus, dass Emily sie verwundert ansah. „Wo hast du ihn kennengelernt, und wann? Vermutlich vor mehr als sechsundzwanzig Wochen, oder?“
„Mum!“
Emily warf einen betonten Blick auf Annies Bauch. „Also?“
„Wir haben uns in einem
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