Aerzte Zum Verlieben Band 59
stiegen.
Ein Pfleger schob den Rollstuhl, Lily ging neben James her. Im Fahrstuhl war Ava sich die ganze Zeit ihrer roten Wangen bewusst, sodass es fast eine Erleichterung war, als die anderen im Erdgeschoss ausstiegen und sie allein eine Etage weiter in die Tiefgarage fuhr.
Das Gefühl währte nicht lange, weil sie, schon am Ausgang, ihre Mitarbeiterkarte nicht fand. Aber ich habe sie vorhin noch gehabt, dachte sie verzweifelt, während sie in ihrer Handtasche wühlte. Sie muss hier irgendwo sein!
Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte … Ava riss ein Taschentuch aus der Packung, weil plötzlich die Tränen in Strömen über ihr Gesicht liefen.
„Hör auf, Ava“, ermahnte sie sich und musste es noch drei Mal sagen, bis sie sich einigermaßen zusammenreißen konnte. Das hättest du gestern Abend zu Hause tun können. „Nicht hier!“
Bebend holte sie tief Luft, wischte sich die Wangen trocken und überpuderte die Spuren. Endlich fand sie auch die blöde Karte, zog sie durch den Automaten und fuhr vor das Krankenhaus, wo James und Lily warteten und unbefangen miteinander plauderten.
Und da wusste sie, was los war, fand das Wort, das ihren Gemütszustand der letzten Tage treffend beschrieb.
Ausgeschlossen.
Ja, sie fühlte sich von allem ausgeschlossen.
„Es geht schon.“ James ließ sich von ihr nicht helfen. Etwas umständlich nahm er auf dem Beifahrersitz Platz, und Ava war sicher, dass er sich lieber selbst ans Steuer gesetzt hätte.
„Danke.“ Sie versuchte, Lily zuzulächeln, doch ihre Mundwinkel machten nicht mit.
„Keine Ursache.“ Die blonde Krankenschwester berührte sie kurz am Arm. „Wir sehen uns, Ava.“
Während der kurzen Fahrt nach Hause redeten sie kaum miteinander, und oben vor der Wohnungstür wartete Veronica bereits auf sie.
Ausgeschlossen.
Und wieder beherrschte sie dieses Gefühl wie ein schwerer Stein im Magen, als Veronica James das Abendessen machte und Ava bat, im Supermarkt noch mehr Kühlpackungen für James zu besorgen.
Obwohl er alles andere als ein Muttersöhnchen war, so liebte er seine Mum doch genug, dass er ihr erlaubte, ihn zu bemuttern.
James verschlief den Nachmittag, stand dann auf, um zu essen, was seine Mutter ihm gekocht hatte, und verkündete hinterher, er wolle wieder ins Bett.
„Danke.“ Er gab Veronica einen Kuss auf die Wange. „Fahr ruhig nach Hause, Mum.“
„Meinst du wirklich?“
„Ja, ich möchte nur schlafen. Danke für alles.“
Ava begleitete ihre Schwiegermutter zur Tür und lief dann wieder ins Wohnzimmer, doch James war schon ins Schlafzimmer gegangen und deckte gerade das Bett auf.
„Brauchst du etwas?“
„Ich will nur schlafen.“
„Natürlich“, antwortete sie. „Ich bringe dir eine frische Kühlpackung mit, wenn ich ins Bett komme.“ Sie wandte sich zur Tür.
„Ava?“ Seine Stimme hielt sie zurück. „Ich wäre dir dankbar, wenn du mir dein Bett für ein paar Nächte überlassen könntest.“
„James, bitte …“ Ava schluckte. „Lass mich bei dir schlafen.“
„Tu, was du nicht lassen kannst, aber eins schwöre ich dir: Wenn du dich in dieses Bett legst, stehe ich auf und nehme mir ein Hotelzimmer.“
„James, ich möchte nicht, dass du ins Hotel gehst.“ Und nicht nur das. Sie fasste sich ein Herz und holte tief Luft. „Ich möchte auch keine Scheidung. Hörst du?“
„Nein, du hörst mir zu“, unterbrach er sie heftig. „Es waren deine Fehlgeburten, deine Babys, deine Trauer – das hast du mir immer zu verstehen gegeben –, und es ist mein Krebs! Und weißt du, was ich nicht gebrauchen kann? Dass du mich wie einen deiner Patienten behandelst, dass du mitfühlendes Verständnis zeigst, wenn ich vor Angst, oder weil ich mit Medikamenten vollgepumpt bin, keinen hochkriege. Ich will nicht, dass du aus Mitleid mit mir schläfst, und ich wollte dich nicht dabeihaben, als mein Verband gewechselt wurde. Aus einem einzigen Grund: Weil du all das nicht wolltest, als ich noch gesund war.“
Wie erstarrt stand sie vor ihm, konnte nicht einmal weinen.
„Und noch etwas. Ich habe gehört, wie du zu Mum gesagt hast, du hättest dir die nächste Woche frei genommen. Schön, aber das machst du wieder rückgängig, weil ich mich weder ausruhen noch entspannen kann, wenn du in der Wohnung bist. Was hast du immer gesagt, damals, nach den Fehlgeburten, wenn ich dich in den Arm nehmen oder – schlimmer noch – dir einen Kuss geben wollte? Was hast du geantwortet, wenn ich reden wollte?
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