Aerzte Zum Verlieben Band 59
das tat sie dann auch.
Ava hörte die Lautsprecherdurchsagen und Ginnys leises Murmeln ins Telefon, und zum ersten Mal, seit der Krebs wie ein hohlwangiges Gespenst in ihrem Leben aufgetaucht war, zum ersten Mal seit langer, langer Zeit schlief sie tief und fest.
Und es half.
Wie auch die anderen Ratschläge ihres geschätzten Kollegen Donald.
Als sie spät nach der Arbeit gegen sieben nach Hause kam, rief sie nur kurz: „Hi!“, setzte sich aufs Sofa und aß ihr Bami Goreng direkt aus der Take-away-Box – mit Stäbchen. James hatte das immer für hochgestochen, um nicht zu sagen affig, gehalten. Wozu sich abmühen, wenn in der Küchenschublade genug Gabeln und Löffel lagen?
Aber James war in seinem Zimmer, also aß sie mit Stäbchen und holte sich nur für die Soße einen Löffel. Danach legte sie einen Film ein, der weder mit Mord und Totschlag noch mit Katastrophenszenarien zu tun hatte, sodass nicht die Gefahr bestand, James mit einem Actionfilm aufs Sofa zu locken.
Wenig später kam er aus seiner Höhle, ging an ihr vorbei in die Küche, und sie hörte ihn leise auflachen, nachdem er die Kühlschranktür geöffnet hatte. Wahrscheinlich hatte er die Packung mit der Aufschrift Avas Milch entdeckt.
Waffenruhe. Eine Pause nach den zermürbenden Tagen der letzten Zeit.
Ava war grenzenlos dankbar dafür.
James wusste, um welche Zeit abends die Laborwerte verfügbar waren. Und er konnte davon ausgehen, dass seine Tests vorrangig behandelt wurden.
Obwohl er Ava und allen anderen erzählt hatte, dass mit Ergebnissen nicht vor Ende der Woche zu rechnen war, versuchte er sich am Donnerstagabend nach der OP in seine Datei einzuloggen. Aber Blake hatte ihn vom Zugriff ausgeschlossen.
James wartete eine halbe Stunde, dann hielt er es nicht mehr aus und schrieb dem Kollegen eine SMS, ob es Neuigkeiten gäbe.
Bin mit Joan essen. Hochzeitstag. Melde mich, sobald ich kann.
Er hatte nicht mit Nein geantwortet. Da wusste James, dass er am nächsten Tag erfahren würde, wohin für ihn die Reise ging.
„Hi!“ Ava kam nach Hause, als er noch am Fenster stand und gedankenverloren hinaussah. Als er sich zu ihr umdrehte, lächelte sie, ging aber nicht zu ihm, sondern geradewegs in die Küche, wo sie sich ein großes Glas Wasser eingoss.
Wie kann ich ihr das alles zumuten? fragte er sich.
Donald hatte recht, James kannte die Statistiken besser als jeder andere, und seine Chancen standen recht gut. Aber wenn nicht? Wenn er nun die Ausnahme war, die die Regel bestätigte?
Er hatte ja schließlich selbst miterlebt, was die vielen Fehlgeburten Ava angetan hatten. Seine strahlende, glückliche junge Frau war fast daran zerbrochen, und ihre Ehe war darüber den Bach hinuntergegangen.
Eine Ehe, die lange Zeit das Beste war, was ihm je passieren konnte.
Statt weiterhin aus dem Fenster zu starren oder sich wieder ins Schlafzimmer zurückzuziehen, folgte er Ava in die Küche. „Wie war die Arbeit?“
„Wenig los.“ Ava öffnete den Kühlschrank, fand aber nichts, worauf sie Appetit hätte. „Zwei Patienten haben abgesagt. Ich hätte früher nach Hause gehen können, aber dann habe ich mich mit Evie auf einen Kaffee getroffen. Wie geht’s dir?“
„Ich langweile mich.“ Was nicht stimmte. Seine Gedanken waren ständig in Bewegung. So unruhig war er noch nie gewesen, und er sehnte sich nach Ablenkung. „Wahrscheinlich fange ich nächste Woche wieder an zu arbeiten.“
„Du warst die ganze Zeit in der Wohnung. Du könntest spazieren gehen“, schlug sie vor. „Oder wir gehen zusammen, es ist ein herrlicher …“
„Ich war schon draußen.“ James’ Mundwinkel zuckten. „Mir blieb nichts anderes übrig, weil keine Milch da war.“
„Aber im Kühlschrank steht …“, begann sie und musste auch lächeln. „Falls du ein bisschen mehr sehen willst als den Laden an der Ecke, kann ich dich zum Strand fahren.“
Er wird ablehnen, dachte sie. Er wird den Kopf schütteln und im Schlafzimmer verschwinden.
Doch James nickte und verließ die Küche. „Ich ziehe mich nur um.“
Und er hatte noch mehr Überraschungen auf Lager. Ava wusste, dass er sich nicht gern fahren ließ, und traute deshalb ihren Ohren nicht, als sie den Strand erreichten und James vorschlug, noch ein Stück weiterzufahren.
„Zu der anderen Bucht“, meinte er. „Wir waren lange nicht dort.“
Vor vielen Jahren hatten sie sich oft an dem Strand aufgehalten. James wohnte damals, als sie ihn kennenlernte, mit ein paar Kommilitonen in einem
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