Aerzte Zum Verlieben Band 59
wollte nicht über ihre Eltern reden. Solange sie denken konnte, war sie in den Ferien zu den Großeltern oder zu einer Tante geschickt worden. Inzwischen war sie kein Kind mehr, aber die Geburtstagsgeschenke blieben die gleichen und dienten nur einem Zweck: Die Eltern hatten ihre Ruhe.
„Vielleicht lasse ich mir auch das Geld geben. Ich möchte mir ein Zimmer suchen …“ Die Vorstellung, sich mit jemand anderem eine Wohnung zu teilen, war nicht besonders verlockend, aber von ihrem Job als Kellnerin konnte sie sich nichts Besseres leisten. Und zu Hause wohnen, das ging gar nicht mehr.
„Und du?“, fragte sie. „Freust du dich auf die Ferien?“
„Das hängt davon ab, ob ich deine Telefonnummer habe oder nicht.“
Ava schoss das Blut ins Gesicht, bebend hielt sie den Atem an, als James näher an sie heranrückte. Und dann, mit achtzehn, fast neunzehn Jahren erlebte sie ihren ersten Kuss. Das hätte sie James nie verraten, vor allem, weil es für ihn bestimmt nicht der erste war. Er wusste genau, was er zu tun hatte.
Sanft strich er mit warmen Lippen über ihren Mund, verführte sie mit einem sinnlichen Kuss, der sie alle Unsicherheit und Verlegenheit vergessen ließ. Stattdessen schwebte sie im siebten Himmel, erfüllt von unbekannten, prickelnden Gefühlen.
James drückte sie behutsam in den Sand, den Arm immer noch um sie gelegt. Spontan bekam sie es mit der Angst zu tun, wollte ihn von sich stoßen. Warum? protestierte ihr Herz. Es fühlte sich so unbeschreiblich gut an, James’ großen starken Körper zu spüren, seine Wärme und den männlichen Duft, der von seiner Haut ausging.
Er küsste sie auf die Wange, liebkoste ihr Ohr, und sein heißer Atem erregte sie noch mehr. Oder waren es vielmehr seine Worte? „Flieg nicht nach Queensland“, sagte er heiser. „Bleib den Sommer über hier.“
Sie wollte für immer in seinen Armen bleiben und von ihm geküsst werden. Alles andere war unwichtig. Dann stürmten neue verlockende Gefühle auf sie ein, als James eine Hand unter ihr T-Shirt schob. Flüchtig bremste sie der Gedanke, dass sie ihn auf dumme Gedanken brachte. Dass er jetzt dachte, er könnte noch viel weiter gehen.
Schwer spürte sie sein Gewicht auf ihrem nackten, mit Sand bedeckten Schenkel. Verstand und Sehnsucht lagen im Widerstreit, und die Sehnsucht gewann. Ava erwiderte noch immer seinen Kuss, und als James die Hand auf eine ihrer Brüste legte, stöhnte Ava leise auf.
Plötzlich löste sie sich von ihm, sah zu ihm hoch. James spürte ihre Anspannung, ihre Hände auf seinen Schultern, als wollte sie ihn von sich schieben. Und er las in ihren Augen, wie unsicher sie war. Also zog er die Hand unter ihrem T-Shirt hervor und küsste Ava zärtlich.
An jenem Abend hatte er sie nur geküsst. Er verbrachte den ganzen Sommer damit, sie langsam zu erobern, Stein für Stein die Mauern abzutragen, die sie um sich errichtet hatte. James ließ es langsam angehen, blieb geduldig, obwohl sie ihn, süß und wunderschön, wie sie war, fast um den Verstand brachte.
Heute fragte er sich, ob sie sich überhaupt noch an diesen Sommer erinnerte.
„Es sieht nicht gut aus für Finn“, sagte er. Sie redeten ein bisschen über Finn und danach über Evie.
„Sie arbeitet immer noch viel zu viel“, sagte Ava. „Aber in jeder freien Minute, die sie nicht arbeitet, ist sie bei ihm auf der Intensivstation oder schläft im Dienstzimmer nebenan.“
„Finn wird das nicht gefallen.“
„Mit einem Tubus im Hals hat er kaum etwas zu sagen.“
James war genau Finns Meinung. Wenn er sich vorstellte, dass es ihm eines Tages ähnlich ging, brach ihm sofort der kalte Schweiß aus. Ava, die kaum Schlaf bekam, völlig erschöpft auf einem Feldbett neben seinem Bett. Ava, die ihn bei jeder Mahlzeit fütterte. Ava, die pflichtschuldig ihr Versprechen hielt: Bis dass der Tod uns scheidet …
Sei nicht albern, ermahnte er sich zum hundertsten Mal an diesem Abend. Die Statistiken sind auf deiner Seite.
Dennoch konnte er die Sache drehen und wenden, wie er wollte – für ihn blieb das Glas halb leer. Er schaffte es einfach nicht, es halb voll zu sehen.
Sie waren am Wagen angekommen. James blickte zu dem Haus, in dem er gelebt, zu dem Fenster, hinter dem er gewohnt hatte. Dort waren sie so glücklich gewesen. Jetzt tat es nur weh, wenn er daran dachte.
Als sie die Küstenstraße entlangfuhren, warf er Ava kurz einen Blick zu. Sie war blass, kein Wunder nach den letzten Tagen. Andererseits, als er aus Brisbane
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