Aerzte Zum Verlieben Band 59
ihm erwartete? Er hätte sie niemals im Stich gelassen.
Riley atmete tief durch. Er musste sich beruhigen, seine Wut brachte ihn nur aus dem Gleichgewicht. Es lohnte nicht, sich über Sachen aufzuregen, die man nicht mehr ändern konnte. Lucy würde ihm schon sagen, was sie von ihm erwartete, und dann würde man sehen, wie es weiterging.
Falls es weitergeht, dachte er missgestimmt. Besser war es, wenn er sich von seiner Tochter nichts erhoffte. Im Lauf seines Lebens hatte Riley schmerzlich lernen müssen, dass auf Familienbande kein Verlass war.
Riley zwang sich, an etwas anderes zu denken. Olive Matchens wartete auf ihn, und um Pippa würde er sich später wieder kümmern. Er hatte einen Job, der ihn erfüllte, und das war das Wichtigste.
Kurz nachdem Riley gegangen war, betrat eine quirlige kleine Krankenschwester namens Jancey Pippas Zimmer und erinnerte sie daran, dass sie unbedingt ihre Mutter anrufen musste.
„Anweisung von Dr. Chase“, meinte sie mit einem pfiffigen Lächeln. „Wenn Sie nicht sofort zu Hause anrufen, steigt Ihre Mutter in den Flieger und ist schneller da, als Sie denken können.“
„Bloß das nicht!“, rief Pippa und griff zum Telefon. „Es geht mir gut, Mum, du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen“, sagte sie, als sie gleich darauf ihre Mutter am Apparat hatte. „Ich hab bloß ein bisschen Wasser geschluckt, davon merke ich schon fast nichts mehr. Ich werde hier bestens versorgt, und wenn alles gut geht, werde ich vielleicht schon morgen entlassen.“
Geduldig ließ Pippa die Litanei ihrer Mutter über sich ergehen und verdrehte dabei die Augen. „Nein, Mum, ich wollte mich nicht umbringen, wie kommst du bloß auf diese absurde Idee? Ich bin nur zu weit ins Meer hinausgeschwommen und hab’s dann nicht mehr zurück zum Strand geschafft. Und nein, ich möchte nicht mit Roger sprechen. Sag ihm, dass es aus ist zwischen uns und ich ihn weder sehen noch hören will. Jetzt entschuldige mich bitte, ich bin schrecklich müde und muss schlafen. Ich ruf dich morgen wieder an.“
Nachdem sie aufgelegt hatte, nickte Jancey anerkennend. „Wow, das war mal ein Wort!“
Pippa lächelte nur matt und schloss erschöpft die Augen. Sie war furchtbar müde, wollte nur noch ihre Ruhe haben. Als sie Minuten später einschlief, träumte sie von Dr. Chase und seinem schönen Lächeln.
Riley sehnte sich nach seinem Bett, doch das musste wohl noch eine Weile auf ihn warten. Schulferien, Grippewelle, jede Menge Unfälle. Es kam ihm vor, als sei die halbe Krankenhausbelegschaft entweder im Urlaub oder krank. Nun war auch noch ein junges Mädchen eingeliefert worden, das in den Wehen lag: Amy – sechzehn Jahre alt und mutterseelenallein.
„Die Wehen kommen alle zehn Minuten, deshalb sollte ständig jemand bei ihr sein“, erklärte Riley der Pflegedienstleiterin Coral, die gerade auf den Dienstplan schaute. „Amy ist ohne Begleitung hier und hat große Angst vor der Entbindung.“
Coral seufzte auf. „Ich weiß, aber momentan steht keine Hebamme zur Verfügung. Rachel ist in Urlaub, und erst vor zehn Minuten hab ich Marianna mit neununddreißig Fieber heimgeschickt. Amy hätte eigentlich in Sydney bleiben sollen, doch jetzt ist sie hier, was soll’s? Ich hab sie zu deiner Selbstmordkandidatin ins Zimmer gesteckt.“
„Also, erstens ist sie keine Selbstmordkandidatin, und zweitens braucht Amy jetzt vor allem Ruhe und …“
„Ich weiß, ich weiß, aber mir bleibt nichts anders übrig, Riley.“ Coral hörte sich so müde an, wie sich Riley fühlte. „Wenn ich Amy jetzt schon in den Kreißsaal hätte bringen lassen, wäre sie womöglich stundenlang allein, und das würde sie nicht aushalten. Bei den Müttern, die schon ihre Babys haben, wäre sie auch am falschen Platz. Also bleibt nur Pippas Zimmer. Das hat zudem den Vorteil, dass wir beide gleichzeitig beaufsichtigen können und dafür nur eine Schwester brauchen. Jede Viertelstunde schaut jemand zu den beiden ins Zimmer.“
Coral nahm ihre Brille ab und sah Riley an. „Dann haben wir noch den kleinen Troy in der Notaufnahme. Er hat sich beim Spielen ein Styroporbällchen in die Nase geschoben und kriegt es nicht mehr raus. Kannst du dich gleich mal um ihn kümmern?“
„Natürlich, dafür bin ich da“, meinte Riley seufzend. Sein Bett musste also noch ein bisschen länger warten.
Pippa wurde von einem heftigen Schluchzen aus dem Nachbarbett geweckt. Neben ihr lag ein schwarzes junges Mädchen, das hochschwanger war. Von
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