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Aerztekind

Aerztekind

Titel: Aerztekind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Wittmann
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es nicht werden.
    Das Abitreffen fand in dem romantischen Ambiente des örtlichen Bierhofs statt. Ich war tief dekolletiert und schon leicht angeschickert, als ich Barbara Schöffelhofer, das Kommunikationszentrum der Stufe und Klatschbase Nr. 1, auf meinen Marshallplan ansprach.
    »Ärzte suchst du?«, sagte sie und zog dabei die Augenbrauen in die Höhe. »Alleinstehend als Voraussetzung, oder darf’s auch verheiratet sein?«
    Ich zögerte. »Pff, ja, also erst mal die Alleinstehenden.«
    »Wen hätten wir denn da …« Barbara legte die Stirn in Falten und sah sich im Raum um, der vom lauten Geschwätz der beinahe hundert Personen gefüllt war. »Ach ja! Der Christian Maurer.«
    Christian Maurer – na ja. Der wäre ja nicht meine erste Wahl gewesen. In der Schule war der immer so, na ja, wie sagt man da … korrekt. Das war so ein Typ, der nicht die coolen Sneaker, sondern Joggingschuhe zu etwas zu engen Jeans getragen hatte. Barbara deutete in seine Richtung. Okay. Optisch war er definitiv in den Neunzigern hängen geblieben.
    »Gibt’s noch mehr im Angebot?«, hakte ich nach.
    »Der Sebastian König, der ist jetzt Kinderarzt.«
    Sebastian König? Kinderarzt? Mich lauste der Affe. Neben Sebastian König hatte nie jemand sitzen wollen, weil er immer so gemüffelt hatte. Sebastian König war der dicke, schlecht gelaunte Junge gewesen, der bis zur 13. Klasse die unteren Stufen im Schulgarten verdroschen hatte. Sebastian König hatte die Schutzgelderpressung erfunden! Und den ließ man jetzt auf Kinder los? Meine Güte.
    »Nee, lass mal. War das alles?«
    »Timo Habermaß ist Pharmakologe geworden – ist das auch interessant für dich?«
    Das wunderte mich jetzt wiederum nicht. Timo Habermaß hatte schon als Fünfzehnjähriger die Stufe mit Stimmungsaufhellern und Opiaten versorgt, denn sein Vater hatte eine Apotheke in der Innenstadt und offensichtlich kein funktionierendes Warenwirtschaftsprogramm gehabt, was den korrekten Ein- und Ausgang von Präparaten dokumentierte.
    »Oh, dann hätten wir noch den Markus Doppelreiner. Der ist Frauenarzt.«
    Frauenarzt. Na ja. Gott, wenn die Auswahl so beschissen war, dann musste man halt den Spatz in der Hand nehmen, nicht wahr? Markus Doppelreiner sah immerhin nicht schlecht aus. Lediglich die Tatsache, dass er fast den vollständigen weiblichen Teil der Stufe (über den männlichen war mir zumindest nichts bekannt) in seinem Golf Cabrio flachgelegt hatte, gab mir zu denken. Ob daher wohl sein Spezialgebiet rührte?
    »Also, als Frauenarzt kann ich den nur empfehlen«, sagte Barbara mit einem Lächeln.
    »Als Frauenarzt? Du gehst zu dem?!«
    Ich war entsetzt. Gab es etwas Abartigeres, als zu einem ehemaligen Mitschüler in gynäkologische Behandlung zu gehen und ihm seine empfindlichsten Weichteile ins Gesicht zu strecken? Wollte ich ernsthaft mit Markus Doppelreiner über meine Periodenschmerzen reden? Und fand ich die Vorstellung anziehend, am Abend, wenn mein armer, schwer arbeitender Schatz von seinem harten Tag in der Praxis nach Hause kam, über den Abstrich von Barbara Schöffelhofer zu beraten?
    Ich bedankte mich bei Barbara und schloss mit einem energischen gedanklichen Schub die Akte Ärzteliebe. Das war doch krank.

6. Wenn ich mal groß bin
    Obwohl ich mich mit meiner Entscheidung, nicht Medizin zu studieren und mir keinen Arzt als Mann an meiner Seite zu suchen, mein Leben lang sehr wohl gefühlt habe, musste ich mich zum Abschluss meines Studiums und gleichzeitigem Beginn meiner Arbeitslosigkeit von meinem Vater fragen lassen, was mich an seinem Beruf so abgeschreckt hat, dass ich stattdessen lieber ein Leben in der diogenesschen Tonne bevorzuge. Die Frage musste ich mir – gerade nach einem Studium, in dem ich das Argumentieren, Reflektieren und Interpretieren von der Pieke auf gelernt hatte – wohl oder übel gefallen lassen.
    In den langen Nächten, in denen ich in dieser Zeit in meinem alten Kinderzimmer an die Decke starrte und die dort klebenden, in der Nacht leuchtenden Sterne sah, die mich daran erinnerten, dass ich für derlei Zimmereinrichtung und die Tatsache, wieder im Haus meiner Eltern zu leben, mindestens fünfzehn Jahre zu alt war, dachte ich darüber nach.
    Wieso eigentlich nicht selbst Arzt werden? Gut, ich hatte meine eintägigen Kommilitonen in Greifswald bescheuert gefunden. Ich hatte sie als genauso oberflächlich und beschränkt wahrgenommen wie all die Ärzte, die ich aus dem Freundeskreis meiner Eltern kannte. Aber davon einmal

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