Aerztekind
glaube ich, du bist von der Männerabwehr.«
Das war ja wohl die Höhe! Mal ganz davon abgesehen, dass mein Vater sicher nicht derjenige war, der gute Ratschläge in Sachen Liebesbeziehung verteilen sollte. Mein Vater, das hatte mir meine Mutter mal in aller Heimlichkeit erzählt, hatte sich in seinen Studienjahren immer Frauen gesucht, die über hauswirtschaftliches Talent verfügten und ihm demnach die Socken stopfen und die Kittel bügeln konnten. Von wegen Liebe. Und abends, wenn er nach einer langen Sitzwache in der Neurochirurgie, mit der er sich sein Studium finanzierte, nach Hause kam, köchelte auf dem Herd ein leckeres Gulaschsüppchen.
Willkommen im 21. Jahrhundert, Vater!
»Als du in meinem Alter warst, war das alles ganz anders«, erklärte ich ihm. »Da war Emanzipation noch ein feuchter Gedanke im Hirn von Alice Schwarzer.«
Mein Vater schüttelte den Kopf. »Nein, deine Mutter war schon immer sehr emanzipiert.«
Wieso?, dachte ich. Hat sie etwa ganz selbstständig entschieden, ob sie zuerst die Kittel bügelt oder die Gulaschsuppe warm hält?
»Meinst du mit emanzipiert, dass sie in deinem Namen mit der Frau Schluss gemacht hat, die du vor ihr als Haushaltshilfe eingestellt hattest?«
»Papperlapapp«, sagte mein Vater und trat die Flucht nach vorn an. »Ich kenne da einen netten Mann aus dem Notdienst, der ist auf der Suche.«
»Welche Fachrichtung?« Irgendwas musste man ja fragen, wenn der eigene Vater auf die Idee kam, einen zu verkuppeln.
»Onkologie! Aber auch ein hervorragender Notfallmediziner.«
Onkologie? Nein danke! Ich hatte keine Lust auf einen Mann, der den ganzen Tag von Krebspatienten umgeben war und am Abend dann einen seelischen Mülleimer zur psychischen Reinigung brauchte. Dann lieber einen Knochenbrecher! Einen Orthopäden. Die arbeiten nicht viel und fahren schicke Autos.
Ich dachte an meine Erfahrungen aus Greifswald. Wirklich sympathisch waren mir die Ärztekinder nicht gewesen – aber wer sagte, dass aus doofen Ärztekindern auch doofe Ärzte wurden? Mein Vater war zwar anstrengend, aber im Großen und Ganzen doch ganz in Ordnung. Und die Ärztekinder waren ja noch am Anfang ihrer Entwicklung und sicher ganz grün hinter den Ohren, daher sicher noch nicht im finalen Produktionsstadium. Und mit der Zeit, wenn sich die Arroganz über die eigene Herkunft legte, weil man mit beiden Händen in den Darmschlingen eines Patienten wühlte oder acht Stunden am Stück ohne Pause die Spatel halten musste … Vielleicht war die Überlegung ja gar nicht so verkehrt. Immerhin gehören Ärzte nicht umsonst zur Elite unseres Landes. Sie sind gebildet, in den meisten Fällen gut bezahlt und normalerweise notorisch überarbeitet. Das hat durchaus Vorteile: Dank der Doppel- und Nachtschichten im Krankenhaus, dem lästigen Papierkram und eilig einberufenen Notfalloperationen könnte ich meine Freizeit weiterhin vollkommen selbstständig planen und würde trotzdem über das nötige Kleingeld verfügen, um ebendiese mit wirklich sinnvollen und befriedigenden Tätigkeiten wie Shopping, Golfen oder dem Besuch von Kunst-Matineen zu verbringen. Natürlich spielte ich kein Golf und hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Matinee besucht. Aber auch in die Rolle der Arztgattin konnte man reinwachsen!
Doch wie würde ich an einen Arzt kommen? Sicher nicht, indem ich mir von meinem Vater einen vorsetzen ließ! Am Ende mochte er ihn vielleicht … Am besten wurde ich krank. Oder gab es zumindest vor. Schließlich sollte beim ersten Kennenlernen unbedingt eine eingehende Leibesvisitation vorgenommen werden. Ich nahm mir vor, bei einer etwaigen Untersuchung unbedingt darauf zu achten, mich nicht von schlecht ausgebildetem Hilfspersonal oder adoleszenten Medizinstudenten befummeln zu lassen. Unglücklicherweise war ich zu diesem Zeitpunkt meines Lebens nicht mehr über meinen Vater privatversichert, ich würde also auf eine Chefarztbehandlung und das Einzelzimmer für die romantischen Stunden entre nous verzichten müssen.
Ein Arzt sollte es also werden, doch bevor ich mir im ersten Übermut nun einen Fingernagel einwachsen ließ, wollte ich mir zunächst über die Fachrichtung Gedanken machen, in der ich meinen Traummann zu finden gedachte. Dabei beschloss ich, die Spezialgebiete Geriatrie, Proktologie und Urologie von vornherein auszuschließen, da ich noch weit unter fünfundsechzig war, nicht gern über meinen Reizdarm sprach und keine bekannte sexuelle Vorliebe für Blasenkatheder
Weitere Kostenlose Bücher