Aeternum
längere und für ihn wahrscheinlich wenig erfreuliche Geschichte zu verbergen.
Amanda seufzte, für etwas anderes reichte es nicht mehr. Wie viel Pech konnte ein Mensch haben? Ausgerechnet Nachasch, die sie zum Sterben in den Krater geschickt hatte. Doch hatte das nicht auch seine guten Seiten? Da Balthasar nie ein Engel gewesen, also nicht von Gott erschaffen worden war, wäre es ihm gefahrlos möglich, sich all die Macht selbst zu holen, die unter dem Alexanderplatz schlummerte. Nachasch würde das allerdings niemals zulassen, eher würde sie die Waffe einem Menschen geben, falls sie sie nicht selbst nutzen konnte. Blieb nur die Frage, was sie war. Alter Gott oder Engel? »Lebt sie denn noch?«
»Sie ist entkommen, als Michael und seine Begleiter mich überwältigt haben.«
»Wird sie Jul oder mich anhören?«
Balthasar sah sie an, als hätte sie gefragt, ob Nachasch sich dazu herabließ, mit Kakerlaken zu sprechen. »Ihr kämt nicht mal in ihre Nähe.«
Log er oder sprach er die Wahrheit? Schwer zu sagen, aber es war nicht unwahrscheinlich, dass er recht hatte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie keine Ahnung hatte, wo sie anfangen sollte, nach der Anführerin der Dämonen zu suchen. Sie ahnte, worauf dies hinauslief. »Würde sie dich anhören?«
»Ja.«
»Aber du hast nicht zufällig in der Zwischenzeit ihren wahren Namen herausgefunden, was alles unglaublich viel einfacher machen würde?«
»Ich war anderweitig beschäftigt.« Balthasar lächelte dünn.
Amanda stieß einen müden Seufzer aus. Was für Alternativen blieben ihr denn schon? Sie würde einfach hoffen müssen, dass am Ende alles gutging. »Gut, ich biete dir meine Seele dafür, dass du Nachasch dazu überredest, Jul oder mir die Waffe zu übergeben, mit der man einen Gott töten kann.«
War das exakt genug formuliert? Zumindest in ihrem übermüdeten Zustand konnte sie kein Schlupfloch entdecken. Natürlich würde er ihr die Waffe abnehmen wollen, würde fürchten, dass sie plante, auch ihn zu töten. Aber da musste sie einfach schneller sein als er, musste den Grund des Kraters erreichen, bevor er sie aufhalten konnte. Das war die Karte, auf die sie alles setzte. Entweder sie gewann alles, oder sie verlor alles. Der Gedanke an die Niederlage war es, der sie noch etwas hinzufügen ließ. »Und dafür, dass du meinen Bruder freilässt.«
Mit einem Grinsen auf den Lippen lehnte er sich vor. »Gerissen. Aber deinen Bruder kann ich nicht freilassen.«
»Du müsstest so oder so irgendwann ohne ihn als Druckmittel auskommen, wenn ich dir bis in alle Ewigkeit dienen soll.« Amanda bemühte sich, ihre Stimme gleichgültig klingen zu lassen, sie hatte in dieser Verhandlung bereits zu viele Emotionen gezeigt.
»Irgendwann, ja. Aber bis dahin sind es noch ein paar Jahre, in denen du dich daran gewöhnen musst zu gehorchen.« Balthasar musterte sie nachdenklich. Seine Augen waren nun heller, beinahe von einem menschlichen Braun. »Allerdings könnte ich dir garantieren, dass er nicht für deinen Verrat leiden muss. Außerdem ließe es sich einrichten, dass du ab und zu mit ihm sprechen darfst.«
Amanda musste sich beherrschen, um ihm nicht allzu ungläubige Blicke zuzuwerfen. Der Dämon kam ihr tatsächlich ein Stück entgegen? Vielleicht war ihr Gerede über Mitleid doch nicht vollständig ohne Wirkung geblieben. Aber nein, wahrscheinlich war, dass Balthasar genau wusste, wo die Grenzen dessen lagen, was sie akzeptieren konnte.
Sie nickte, fühlte sich dabei, als würde sie sich damit einverstanden erklären, ihr eigenes Grab zu schaufeln. »Dann haben wir einen Deal.« Nur mit Mühe unterdrückte sie das Zittern in ihrer Stimme.
*
Es war ein Haus mit einer hässlichen grünen Fassade. Nicht heruntergekommen, aber auch nicht so gut gepflegt, dass es inmitten seiner graffitibesprühten Nachbarn aufgefallen wäre. Amanda fröstelte. Sie zog ihre angesengte, feuchte Jacke enger um sich, während sie den Blick schweifen ließ. Eine ganz normale Straße in irgendeiner Wohngegend. An der nächsten Ecke entdeckte sie ein Café, ein Stück in die andere Richtung lag ein Bioladen. Sie legte den Kopf in den Nacken, hielt über die Dächer der Häuser hinweg nach einem Orientierungspunkt Ausschau, der ihr verriet, wo genau sie sich befanden. Doch alles, was sie sah, war der Widerschein von Feuer an der Unterseite vereinzelter Wolken.
Karins Wagen hielt hinter dem Balthasars. Irgendwo in den Häusern ringsum musste es noch Leben geben, doch als
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