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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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er einen Bogen um alles, das auch nur annähernd verdächtig aussah. Die Flecken Tageslicht waren dabei sowohl Segen als auch Fluch. Sie sorgten dafür, dass man zumindest erahnen konnte, wohin man seine Füße setzte. Doch wenn man ihnen zu nahe kam, würden die Engel über dem Krater einen Schatten sehen, eine Bewegung. Und dann war das Spiel aus.
    Es schien Jahrzehnte zu dauern, bis Jul endlich den tiefschwarzen Schlund des U-Bahn-Schachts erspähte, durch den sie am vergangenen Tag ans Sonnenlicht zurückgeklettert waren. Erleichtert atmete er auf, doch er wagte es nicht, seine Schritte zu beschleunigen. Auch auf den letzten Metern durfte er nicht an Wachsamkeit nachlassen. Er zwang seinen Blick zurück auf den Boden vor ihm, setzte weiter vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Noch drei Schritte, zwei. Dann hatte er es geschafft.
    Mehrere Stahlträger hatten sich über dem Durchgang ineinander verkantet, bildeten ein Dach, das herabrutschende Trümmer abhielt. Zu Juls Füßen führte eine Schutthalde wie eine Rampe unter die Erde. Betonbrocken lösten sich unter seinen Schritten, als er sich an den Abstieg machte. Kleinere Trümmer, die an ihm vorüberrollten, zeigten an, dass Amanda dicht hinter ihm war.
    Dunkelheit umhüllte sie am Fuß der Halde. Dort mochte es ebenfalls Stellen geben, an denen es noch Tag war, aber die Strahlen der Sonne reichten zu keiner Zeit unter die Erde hinab, deshalb schimmerten nirgendwo helle Flecken auf dem Boden. Jul ließ sein Schwert aufflammen, und das blaue Flackern spielte über die Schienen zu seinen Füßen. Er hob die Klinge, während Amanda neben ihn trat. Gemeinsam spähten sie in den Tunnel hinein. Amanda fluchte leise.
    Auch Jul spürte, wie sich ein beklemmendes Gefühl um seinen Brustkorb legte. Sein Blick klebte an der Decke, den Rissen, die sich darin abzeichneten, und den Stellen, an denen herunterfallende Trümmer mitten in der Luft erstarrt zu sein schienen. Gefrorene Wasserfälle aus Beton und Sand.
    »Ich wusste, ich hätte zwischendurch noch rausfinden sollen, wie man durch Wände geht.« Amandas Stimme klang rauh. »Dann könnten wir jetzt einfach gemütlich nach unten driften.«
    Jul lächelte. Je ernster die Situation, desto verbissener wurde Amandas Humor. Er war ihr Schild gegen alle Widrigkeiten, der nicht nur sie, sondern auch ihn davon abhielt, zu tief in düsteren Gedanken zu versinken. Er konnte sich niemanden vorstellen, mit dem er lieber durch diesen Tunnel gegangen wäre.
    »Es hat keinen Zweck, hier herumzustehen. Komm.« Langsam setzte er sich in Bewegung, und Amanda folgte ihm. Sie schoben sich an in der Luft hängenden Betonbrocken vorbei, achteten darauf, keine Stellen zu berühren, an denen sich Boden oder Wand wellten. Hier und dort driftete ihnen Schutt entgegen, fiel klackernd zu Boden, wenn er die Bereiche verließ, in denen die Schwerkraft nicht mehr galt. Langsam bekam Jul Übung darin, jede noch so kleine Wellenbewegungen auf dem unebenen Untergrund zu erspähen.
    »Ist das die Tür in den Bunker?«
    Tatsächlich zeichnete sich ein dunkles Rechteck am Rand des Lichtkreises aus blauen Flammen ab. Amanda beschleunigte ihre Schritte, und Jul beeilte sich, mit ihr mitzuhalten, jedoch nicht ohne weiterhin ein aufmerksames Auge auf den Boden zu haben.
    Ein schrilles Klingeln ließ sie beide zusammenfahren. Jul blieb stehen, tastete in seinen Taschen nach dem Handy. Dass dieses Gerät hier unten immer noch funktionierte, grenzte an ein Wunder. Amanda sah über die Schulter zu ihm zurück. »Wenn das so weitergeht, solltest du das Handy ausschalten, bevor wir unten ankommen. Wär unpraktisch, wenn es gerade dann klingelt, wenn wir uns vor den Seraphim verstecken müssen.«
    Jul nickte nur abwesend, die Aufmerksamkeit bereits auf den Bildschirm des kleinen Geräts gerichtet. Diesmal stand Karins Name darauf. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Hoffentlich war nichts geschehen.
    »Karin?«
    Knacken und Rauschen antwortete ihm. Dann ganz schwach Karins Stimme.
    »… Alex?«
    Er konnte nur raten, was sie meinte. »Ja, wir sind wieder beim Alexanderplatz.«
    »… Gefahr … ihr …« Das Knacken schwoll an, kratzte schmerzhaft an seinem Trommelfell. Jul hielt das Handy trotzdem weiter an sein Ohr gepresst, lauschte angestrengt, ob die Stimme seiner Mitbewohnerin noch einmal erklang.
    »… habe gesehen … du mich hören?«
    »Kaum.« Er legte den Kopf in den Nacken, ließ den Blick über die Decke gleiten. Nun hätte er einen Riss oder ein

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