Aeternum
flackern.
»Iacoajul!« Der Ruf schien den ganzen Bunker zu füllen. Mehrere Angreifer näherten sich Amanda, und Jul entdeckte Michaels goldene Mähne unter ihnen. Der Erzengel sah ihn direkt an, als wolle er ihn allein mit Blicken festhalten. »Meine Späher haben sich also nicht getäuscht, es ist ein giftiger Wurm in unser Nest gekrochen.«
Jul löste sich von seinem Gegner, wich zurück, bis er Rücken an Rücken mit Amanda stand. Ein Beben ging durch ihren Körper, er wusste nicht, ob aus Angst, Wut oder Verzweiflung. »Scheiße«, murmelte sie noch einmal erstickt. Wie gerne hätte er irgendetwas Tröstendes gesagt. Irgendetwas, das ihr Mut machte.
»Michael.« Jul drehte sich, schob dabei Amanda hinter sich, so dass er dem Erzengel gegenüberstand und sie seinen vorherigen Gegnern. Er blickte in Gesichter voller Verachtung und Misstrauen, einige davon bekannt, andere fremd. Mit einmal Mal musste er an das Vertrauen denken, das in Muriels Augen geleuchtet hatte. Er hatte es mit Worten geweckt. Konnte er das wieder tun? Blieb ihm genug Zeit dafür?
»Du hast uns erwischt, Michael«, begann er, darum bemüht, dass seine Stimme möglichst weit durch den Gang trug. »Willst du uns gleich töten oder erst erfahren, was wir vorhatten?«
Auf eine Handbewegung Michaels hin kam der Vormarsch der Engel zum Stillstand. Misstrauisch musterte er Jul. »Hoffst du, deiner gerechten Strafe zu entgehen, indem du mir sagst, mit welchen Lügen der Morgenstern deinen Geist gefüllt hat?«
»Nein.« Jul ließ das Schwert sinken, hielt sich jedoch bereit, es jeden Moment wieder hochzureißen. »Ich hoffe, dass du deine Fehler erkennst.«
Wenn er sich doch nur so sicher gefühlt hätte, wie diese Worte klangen. Aber sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Ein erstauntes Raunen ging durch die versammelten Engel, und er hob die Stimme, um es zu übertönen. »Ich habe vom Baum der Erkenntnis gegessen, ich kann zwischen Gut und Böse unterscheiden. Du nicht, Michael, genauso wenig wie die Seraphim. Auf welcher Grundlage fällt ihr eure Entscheidungen?«
Das Raunen wurde lauter, bis Michael die Hand hob, und es verstummte. »Auch die Menschen haben vom Baum der Erkenntnis gegessen, dennoch irren sie.«
»Ich bin kein Mensch.« Jul bemühte sich, alle Unsicherheit aus seiner Stimme zu verbannen. Michael hatte recht. Es war leicht, das eigene Gewissen zu ignorieren, sich auf der Suche nach Richtig oder Falsch in all den Grauzonen dazwischen zu verlieren. Doch wie sollte er das erklären, ohne die Glaubwürdigkeit all dessen zu untergraben, was er sagte? Andererseits, wie glaubwürdig konnte etwas sein, das auf Halbwahrheiten beruhte?
»Nein, du bist beinahe ein Dämon, das ist schlimmer.« Michaels Miene wurde weich, seine Stimme sanft. »Wir fällen unsere Entscheidungen auf der Grundlage der Worte des Herrn. Nur sie sollten einem Engel etwas gelten. Hast du das vergessen, Iacoajul?«
»Der Herr hat lange nicht mehr zu uns gesprochen.« Die Wahrheit. Jul brauchte die reine Wahrheit, um die anderen zu überzeugen. Nichts auslassen, nichts übertreiben. »Er liegt hier unten im Sterben und droht die gesamte Schöpfung mit sich in den Untergang zu reißen. All die Jahre haben die Seraphim versucht, ihn zu heilen. Aber sein Zustand bessert sich nicht, egal was sie tun. Warum sollte sich das in Zukunft ändern?«
Wieder erhob sich Raunen, und diesmal gelang es Michael nicht, es mit einer Handbewegung zu ersticken. Die Miene des Erzengels erstarrte zu einer ausdruckslosen Maske, Jul konnte nicht einmal erahnen, was darunter vorging. »Du bist eine Schlange, Iacoajul! Du …«
Ein Warnruf übertönte den Rest seiner Worte. Köpfe ruckten herum. In die hinteren Reihen der Engel kam Bewegung. Ein Brüllen brandete durch den Gang.
Was ging dort vor? Jul reckte sich. Dann entdeckte er die Dämonen.
Hundeähnliche Bestien, nichts als scharfe Zähne und Klauen. Sie sprangen aus der Dunkelheit in das Licht des blauen Feuers. Rissen ihre Gegner zu Boden. Gruben die Zähne in alles, was sie zu fassen bekamen, bevor sie selbst von flammenden Klingen durchbohrt wurden. Über die Körper der Gefallenen setzte sofort die nächste Welle Angreifer hinweg. Wo kamen sie her? Was …
»Jul!«
Er wirbelte herum. Amanda stand vollkommen reglos in dem plötzlich ausgebrochenen Chaos. Ihr gegenüber stemmten sich die vier Engel einer Kraft entgegen, die sie immer weiter den Gang hinabzuschieben drohte. Sie breiteten die Flügel so weit aus, wie die
Weitere Kostenlose Bücher