Aeternum
Moment nicht fassen, dass es immer noch schlug. Wieder einmal hatte Amanda ihm das Leben gerettet.
Dann erinnerte er sich an Karins Schrei. Hektisch sah Jul sich um. Nicht weit von ihm kam Baal mühsam auf die Beine, aber wo war Karin?
Er entdeckte sie ein Stück entfernt auf dem Pfad, den der Morgenstern für ihn geschaffen hatte. Sie lag reglos am Boden, die Glieder verdreht wie bei einer achtlos fallengelassenen Puppe. Juls Herz krampfte sich zusammen. Er sprintete los.
Je näher er kam, desto deutlicher wurde das dunkle, verbrannte Loch in ihrem T-Shirt. Jul schluckte, versuchte, den Kloß aus Trauer und Wut hinunterzuwürgen, der ihm die Kehle zuschnürte. Neben Karin ging er in die Knie. Ihre Augen waren geschlossen, aber ihre Lippen bewegten sich noch. Jul beugte sich näher heran, um die Worte zu verstehen.
»… opfere … Ich opfere … mein Leben …«
Nein! Das durfte sie nicht tun! Mit fliegenden Fingern riss Jul an dem Loch in ihrem T-Shirt, verbreiterte es, so dass er zwei Finger auf die Haut neben der Wunde legen konnte.
»Ich opfere mein Leben … Baal.«
Der Name war nur noch ein Hauch. Dennoch dröhnte er Jul in den Ohren. Zu spät. Diese Worte hämmerten in seinem Geist. Er war zu spät gekommen, hatte versagt. Dennoch schickte er den heilenden Schein in Karins Körper. Sie durfte den verfluchten Namen dieses verfluchten Dämons nicht mit ihrem letzten Atemzug ausgesprochen haben.
Das blaue Licht flackerte über Karins Haut. Und erlosch.
Er versuchte es noch einmal, obwohl er wusste, dass es nichts bringen würde. Ihre Seele war fort und ihre Lebenskraft eine Opfergabe für einen alten, grausamen Gott.
Heiße Tränen rannen Jul über die Wangen. »Oh, Karin …« Ihr Gesicht verschwamm vor seinen Augen. »Warum hast du das nur getan?«
40
D ie Welt drehte sich um Amanda. Hatte sie dem verdammten Engel nicht gesagt, er solle sich beeilen? Sie atmete schwer, ihr ganzer Körper schmerzte. Sie fühlte sich wund, als hätte die Magie ihr Fleisch auf dem Weg aus ihr hinaus verbrannt.
Wie von fern spürte sie, dass ihre Hand sich von der Kante des Durchgangs löste. Sie griff erneut danach, aber ihre Finger schlossen sich nur um leere Luft. Amanda driftete davon, ohne sagen zu können, in welche Richtung. Selbst oben und unten waren nur noch Worte.
Nur ihr Blick fand etwas, woran er sich festhalten konnte. Der Schwarm sechsflügeliger Engel, der sich an der Höhlenwand rechts von ihr versammelt hatte. Dort irgendwo war Balthasar. Und dort irgendwo war Jul. Dort würde er sterben, wenn er sich noch länger Zeit ließ.
Nein! Sie biss die Zähne zusammen, versuchte die Benommenheit abzuschütteln. Es steckte noch viel mehr in ihr. Sie hatte es selbst erfahren, hatte schon so viel mehr vollbracht als im Moment. Irgendwie musste sie an diese Kräfte auch dann herankommen, wenn sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte, wenn sie kein Dämonenblut getrunken hatte.
Ihr Blick klärte sich ein wenig. Nun entdeckte sie Jul. Er kniete am Boden, über eine reglose Gestalt gebeugt. Karin? Irgendwohin war Juls Mitbewohnerin verschwunden. Konnte sie wirklich so dumm gewesen sein, der Gefahr direkt in die Arme zu laufen? Verdammt! Es fiel Amanda doch schon schwer genug, einer Person Rückendeckung zu geben. Wie hätte sie das bei zweien schaffen sollen?
Flügel rauschten. Wieder ein Seraph. Nein, drei. Sie stürzten auf Jul herab, das blaue Feuer ihrer Klingen warf flackernde Schatten an die Wände.
Er sah sie nicht einmal kommen.
Sie würden ihn aufspießen, gleich hatten sie ihn erreicht. Warum versuchten alle immer, die Leute zu töten, die ihr etwas bedeuteten? Mit einem Mal stand Romans Bild vor Amandas innerem Auge. Roman, auf den Krätschmer sein Gewehr richtete, den Finger um den Abzug gekrümmt.
Ein wütender Schrei hallte durch die Höhle, und sie brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass er aus ihrem Mund kam. Und dann war sie plötzlich da. Glühend floss die Magie durch ihren geschundenen Körper, schien sie von innen heraus zu versengen. Doch Amanda achtete nicht auf den Schmerz. Sie griff nach allem, das sie bekommen konnte, schleuderte es den Seraphim entgegen.
Als würden sie von einem Wirbelsturm erfasst, wehten die Engel durch die gesamte Höhle. Funken gleich stoben schimmernde Federn in alle Richtungen. Amanda sah Flügel knicken und reißen, und ein grimmiges Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
Sie hatte nicht alle erwischt, einer oder zwei kreisten noch unter
Weitere Kostenlose Bücher