Aeternum
unternahmen nichts dagegen. Wieso sollten sie ausgerechnet in ihrem Fall damit anfangen? Im Fall von zwei Einbrechern und Betrügern? Vergebung schien keine herausragende Eigenschaft dieser himmlischen Heerscharen zu sein.
Gewaltsam erstickte Amanda den aufkeimenden Funken Hoffnung. Eine weitere Enttäuschung konnte sie nicht gebrauchen.
»Wer bist du, und was machst du hier?« Sie hoffte, dass die Frage ausreichend forsch klang.
Der Engel legte eine Hand an die Scheibe und blickte sie durch das Glas eindringlich an. »Lass mich ein, und ich erkläre dir alles. Hier draußen wird man mich bald entdecken.«
»Kannst du beweisen, dass du kein Dämon bist?«
»Nein, nicht hier. Aber ich kann dir und deinem Bruder helfen, wenn du bereit bist, mich anzuhören.«
Mit einem Schlag flammte der Hoffnungsfunke wieder auf, brannte sich durch all das Misstrauen, das sie darübergehäuft hatte. Sie zögerte nur noch einen Moment, dann öffnete sie das Fenster ganz.
Der Engel legte die Flügel dicht um seinen Körper, ehe sie ganz verloschen. Dann glitt er lautlos ins Zimmer.
Amanda trat einige Schritte zurück, um ihm Platz zu machen und um einen gewissen Sicherheitsabstand zu ihm zu wahren. Das Schwert an seiner Seite stieß leise klappernd gegen die Fensterbank, doch ein beiläufiger Handgriff verhinderte, dass es sich irgendwo verfing. Er schloss das Fenster hinter sich und zog die Vorhänge zu, als fürchte er, von draußen beobachtet zu werden. Als er sich wieder zu ihr umwandte, lag erneut ein Lächeln auf seinen Lippen. »Mein Name ist Michael.«
»Wie der Erzengel?« Nein, unmöglich. Warum sollte ein verdammter Erzengel nachts an ihr Fenster klopfen? Doch zumindest stand nun fest, dass ihr nächtlicher Besucher kein Dämon war, denn die Schutzzauber am Fensterrahmen hatten ihn offensichtlich vollkommen unbeeindruckt gelassen.
»Ja, wie der Erzengel.« Michael neigte den Kopf. »Hör mir zu. Ich weiß, dass du für die Aufklärungsmission ausgewählt wurdest, erst dadurch habe ich von dir und kurz darauf von deinem Bruder erfahren. Ich will dir helfen.«
»Einfach so?« Amanda runzelte die Stirn. Das klang entschieden zu gut, um wahr zu sein. Vielleicht träumte sie noch immer.
Michael lächelte erneut, ohne ihre Frage zu beantworten. »Du musst nach deiner Mission nicht zu deinem Meister zurückkehren. Ich kann dich schützen.«
Warum erst nach der Mission? Die Frage lag Amanda auf den Lippen, doch eine andere drängte sich in den Vordergrund. »Und mein Bruder?«
»Auch für sein Wohl werde ich sorgen.«
Amanda biss sich auf die Unterlippe, versuchte, die innere Stimme zu ignorieren, die ihr zuschrie, dass sie diese Chance auf der Stelle ergreifen sollte, bevor sie wieder verschwand. »Wo ist der Haken?« Es musste einen geben.
»Es gibt keinen.« Die Antwort kam mit einem milden Lächeln. »Ich möchte dich nur unabhängig davon um einen Gefallen bitten.«
»Eine Bitte? Keine Bedingung dafür, dass du mir hilfst?« Angespannt spielte Amanda mit dem Saum ihres T-Shirts, zwang sich, nicht alle Vorsicht fahren zu lassen.
»So ist es.« Michael warf einen raschen Blick gen Fenster. Eilig fuhr er fort. »Dein Meister wird für den Verlauf der Mission durch deine Augen sehen wollen.«
Davon hatte Balthasar bisher noch nichts erwähnt, doch es sah ihm ähnlich. »Das ist möglich?« Der Gedanke daran behagte Amanda ganz und gar nicht.
»Ja. Eine Tätowierung mit seinem Blut an deinen Schläfen genügt.« Michael tippte sich mit dem Finger an die entsprechende Stelle. »Auf diese Art würden die Dämonen vor uns erfahren, was im Krater vor sich geht. Das darf nicht geschehen.«
»Stattdessen wollt ihr es als Erste wissen?«
Wieder nickte der Engel. »Viel hängt davon ab.«
Warum? Was hing davon ab? Was fürchteten Engel und Dämonen unter dem Alexanderplatz zu finden? Noch ehe Amanda eine dieser Fragen stellen konnte, ergriff Michael erneut das Wort. »Deshalb müssen wir verhindern, dass dein Meister durch deine Augen sehen kann.«
Mit einem Mal spülte helles Licht über Amanda hinweg. Federn raschelten, als der Erzengel seine Schwingen ausbreitete. Diesmal machte er sich nicht die Mühe, ihren Schein zu dämpfen. Die schimmernden Spitzen stießen gegen die Wände, ohne dass die Flügel ihre volle Spannweite erreichten. Unwillkürlich wich Amanda einen weiteren Schritt zurück.
Michael griff hinter sich. Obwohl die Federn aus purem Licht zu bestehen schienen, packte er eine davon – und riss sie
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