Aeternum
nicken. Vielleicht fand Karin tatsächlich etwas, das sie in irgendeiner Weise weiterbrachte. Es war besser, als darauf zu warten, dass irgendetwas geschah. Solange sie noch etwas unternehmen konnten, gab es Hoffnung.
Auch Jul deutete ein Nicken an, dann ging sein Blick wieder zum Fenster. An mehreren Stellen stieg Rauch auf, zeigte an, dass die Kämpfe auch am Boden weiter tobten. Zum Glück stand Balthasars Villa recht weit außerhalb. Hoffentlich weit genug. Wenn Roman etwas geschehen sollte …
»In der Tüte sind ein paar Decken, falls du dich hinlegen willst, Amanda.« Karin fischte bereits ein Smartphone aus ihrer Hosentasche. Zumindest einer von ihnen schien die Situation im Griff zu haben. Vorerst.
Amanda suchte sich eine Ecke, in der sie die Decken aus der Tüte ausbreitete. Die zwei Lagen Wollstoff nahmen dem Boden kaum seine Härte, doch es tat gut, einfach zu liegen. Nur die Augen durfte sie nicht schließen, denn dann sah sie sofort den zerfetzten Seraph vor sich, das abstürzende Flugzeug oder Bilder aus ihrem Traum der vergangenen Nacht. Balthasar, der sich über Roman beugte, ein Lächeln auf den Lippen, bei dessen Anblick ihr übel wurde.
Also starrte Amanda gen Decke, versuchte Muster in den Rissen und Flecken abgeblätterten Putzes zu erkennen. Jul stand am Fenster, und in einer Ecke saß Karin über den kleinen Handybildschirm gebeugt. Ab und zu fluchte sie leise. Über die zu kleinen Tasten der eingeblendeten Tastatur und darüber, dass sie ihren Laptop zu Hause gelassen hatte. Amanda fielen die Augen zu. Sie war so unglaublich müde.
*
Als sie hochschreckte, hatte das Licht den Goldton des späten Nachmittags. Karin hockte neben ihr, die Hand an Amandas Schulter. Ihre Miene drückte Missmut aus, und eine rotgefärbte Haarsträhne hatte sich hinter die Gläser ihrer Brille verirrt. Amanda blinzelte, rieb sich die Augen und schluckte den schalen Geschmack in ihrem Mund hinunter. Ein kurzer Rundumblick zeigte ihr, dass Jul noch immer am Fenster stand. Doch nun lehnte er mit dem Rücken am Fensterbrett, sein Blick ruhte auf ihr.
»Irgendwas rausgefunden?« Karins Miene beantwortete die Frage bereits eindeutig mit Nein, dennoch hoffte Amanda auf ein Ja, bis Juls Mitbewohnerin den Kopf schüttelte.
»Nichts, das uns weiterhilft.« Karin zählte die Neuigkeiten an den Fingern ab. »Geistliche in aller Welt verkünden Botschaften der Engel. Das Ende der Welt wäre nahe, die Menschen sollten beten und sich unter keinen Umständen in den Kampf einmischen. Wer es doch tut, ist mit den Dämonen im Bunde.« Sie verdrehte die Augen, als hätten sie es bloß mit schlechter Propaganda zu tun. Ihr Gehabe wirkte ein wenig zu lässig, um echt sein. »Einige Dämonen scheinen sich im Turm des Internationalen Handelszentrums verschanzt zu haben. Was da abgeht …« Nun brach die Fassade, sie schluckte, ratterte eilig weiter ihre Zusammenfassung herunter. »Die Bilder im Internet sehen aus wie aus der neuesten Verfilmung der Offenbarung. Überall wird gekämpft, ein paar Häuser in der Stadtmitte brennen. Außerdem wurden bei verschiedenen Kirchen und bei der Synagoge Engel gesichtet. Das war’s.« Sie schob sich die verirrte Strähne aus dem Gesicht. »Wenn wir mehr rausfinden wollen, brauchen wir deine Kontakte, Amanda.«
»Was für …?« Amanda brach ab, als ihr klarwurde, was Karin meinte. Sie setzte sich auf, schüttelte noch in derselben Bewegung den Kopf. Niemals! »Ich hab Balthasar verraten. Er wird sich kaum vor Freude überschlagen, wenn ich mich jetzt bei ihm melde.«
»Dann denk dir eine Ausrede aus. Schieb diesem Erzengel die Schuld in die Schuhe oder so. Wie ich das verstanden hab, bist du mit deinem Magiezeugs recht wichtig für deinen Meister, oder? Vielleicht ist er einfach froh, dass du noch lebst.« Karin vollführte eine vage Geste mit der Hand, die wahrscheinlich ausdrücken sollte, dass alles möglich war. Sie sah Amanda eindringlich an. »Auf jeden Fall weiß er bestimmt mehr, als ich mit Hilfe von Nachrichten, YouTube und Twitter rausfinden kann. Normalerweise hab ich auch anderweitig Kontakte, aber die sind entweder auf dem Weg aus der Stadt oder haben sich irgendwo verkrochen. Wir brauchen Infos von einem Insider. Wenn dein Meister noch lebt, steckt er womöglich mitten in der Schlacht und weiß, ob irgendwo ein Dämon gefangen wurde oder wo die Engel ihr Hauptquartier haben oder so was.«
Amanda biss sich auf die Unterlippe. Möglicherweise wusste Balthasar tatsächlich
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