Aeternus - Sanfter Tod: Roman
Mantel enger um sich. Leon drückte den Zwillingen etwas in die Hand und holte eine dicke Decke aus dem Kofferraum. »Das wird dich warm halten, bis wir im Dorf sind.«
Er legte ihr die Decke über die Beine und sah sie dabei an. Als er die Hand etwas zu lang auf dem Schenkel liegen ließ, zuckten seine Mundwinkel. Am liebsten hätte sie sich bei dieser Berührung übergeben, aber sie würde ihm nicht die Befriedigung verschaffen, eine Reaktion darauf zu zeigen.
Er stieß ein Kichern aus und setzte sich neben sie. Jericho und Joshua stiegen vorn ein. Joshua, der seine Tätowierung auf der linken Seite trug, drehte den Zündschlüssel, und Jericho stellte die Heizung auf volle Leistung.
Das Dorf lag nur ein paar Meilen vom Ferienort entfernt, aber die Fahrt schien ewig zu dauern. Es war fast zwanzig Jahre her, seit Kitt ihre Mutter zuletzt gesehen hatte, und nun war ihr jede Sekunde zu lang. Sie ertrug Leons hungriges Starren und versuchte, nicht zusammenzuzucken.
»Du siehst gut aus«, sagte Leon, während der Jeep über ein Schlagloch rumpelte.
Joshuas kluge Bernsteinaugen sahen Kitt aus dem Rückspiegel an. Er runzelte die Stirn und schien besorgt zu sein. Mit seinem Bruder führte er eine kurze, stumme Unterredung. Jericho straffte die Schultern, drehte sich auf seinem Sitz um und beobachtete die beiden. Die Zwillinge hätten ihrem älteren Halbbruder nicht unähnlicher sein können. Während Joshua und Jericho dieTiger-Gene ihrer Mutter geerbt hatten, kam Leon ganz auf den löwenartigen Vater.
Die Jordan-Schar hatte die drei Brüder aufgenommen, als sie noch sehr jung gewesen waren. Sie waren die einzigen Überlebenden eines tragischen Waldbrands gewesen, der die benachbarte Pantella-Schar ausgelöscht hatte. Damals hatte Kitt viele Nächte damit verbracht, sich in den Schlaf zu weinen und zu wünschen, das Feuer hätte auch den Mann verzehrt, der nun neben ihr saß. Aber als das Dorf in Sicht kam, vergaß sie ihn, beugte sich vor und legte die Hände auf die Lehne des Sitzes vor ihr.
Zwischen den Bäumen war das Dorf fast unsichtbar, denn es war perfekt vom Rest der Welt abgeschirmt, wie es die Schar schätzte. Der Duft überfiel sie und erinnerte sie an ihre Wurzeln. Nur wenige Einwohner waren auf den engen Gassen zu sehen. Alle hoben die Hand zum Gruß, als der Wagen vorbeifuhr. Die meisten Gesichter kannte Kitt, aber es waren auch ein paar neue dabei.
Als sie endlich das Haus ihrer Mutter erreicht hatten, fühlte sie sich plötzlich benommen, und ihr wurde übel. Das Haus sah noch genauso aus wie damals. Noch bevor sie das Scharland hatte verlassen müssen, war sie von hier fortgezogen, um mit Emmett zusammenzuleben – doch das hier würde auf ewig das Zuhause ihrer Kindheit sein. Mit zitternden Händen tastete sie nach dem Türgriff, aber Joshua war schneller und öffnete die Tür von außen.
Als sie die Auffahrt zur Haustür hochging, waren ihre Beine gefühllos.
»Zu dieser Tageszeit wird sie in der Klinik sein«, sagte Leon.
Natürlich! Ihre Mutter war die Primara des Ortes – eine Geburtshelferin im ursprünglichen Sinne des Wortes. Die Leute aus der Schar kamen aus allen möglichen Gründen zu ihnen, deren Bandbreite sich vom Rat im Umgang mit giftigen Pflanzen bis zur Entbindung erstreckte. Während der Alpha die Schar im Zaum hielt, war die Primara deren Seele und spiritueller Mittelpunkt.
Die Klinik war an das Haus angebaut. Es gab kein Hinweisschild, keine Tafel mit Öffnungszeiten und kein Anzeichen darauf, dass der mit Schindeln abgedeckte Anbau nicht zum Wohnhaus gehörte.
All das war nicht nötig.
Jeder im Ort wusste, wo er hingehen musste. Jeder wusste, dass es keine Rolle spielte, wie spät es war; die Klinik hatte immer geöffnet. Irgendwann kam jeder hierher. Kitt vermisste dieses rege Treiben.
Die Kliniktür wurde geöffnet, und eine hochschwangere Frau trat heraus, während Kitts Mutter ihr über den Handrücken streichelte. »Alles ist gut. Deine Babys werden bald kommen – in ein paar Wochen.«
Mam. In Kitts Kehle bildete sich ein Knoten. Obwohl Serena aussah wie immer, schien sie doch ein wenig dünner und weniger lebhaft zu sein. Sie wandte sich den Neuankömmlingen zu und wollte sie begrüßen. Kitt und die drei Männer kamen näher.
Ein Lächeln legte sich über ihr Gesicht. »Leon, deine Kinder werden stark und gesund sein. »Ich habe gerade zu deiner Frau gesagt …«
Jetzt trafen sich Kitts und Serenas Blicke.
Serena hob die zitternden Finger vor die Lippen,
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