Aeternus - Sanfter Tod: Roman
»Es geht nicht um das, was du ihnen beigebracht hast, sondern um das, wozu sie in der Lage sind.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte er und streckte die Hände aus. »Was haben sie getan?«
Sie schaute über seine Schulter in die Ferne.
»Kitt, sag mir doch endlich, was los ist.« Sorge breitete sich in ihm aus. Inzwischen machte sie ihm wirklich Angst. Er ergriff ihre Oberarme.
Sie senkte den Blick auf seine Brust, hob dann das Kinn und sah ihm wieder in die Augen. »Zieh dich an und komm in den Konferenzraum. Ich muss dir etwas zeigen.«
◀ ▶
Kitt ging zurück zum Konferenzraum. War es möglich, dass er wirklich nichts davon wusste?
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Oberon sie, bevor sie das Zimmer betrat. Durch das Glas sah sie die Zwillinge, die mit Laken um die Schultern dasaßen und sich an den Händen hielten.
»Es geht mir gut«, sagte sie, nahm eine Wasserflasche aus dem kleinen Kühlschrank und schraubte den Deckel ab. »Das ist nur der Schock.«
Antoinette legte die Hand auf Kitts Schulter. »Sie sind verängstigt und verwirrt. Könnte mir jemand sagen, was hier los ist?«
Kitt nahm einen tiefen Schluck Wasser, als Raven in den Raum kam. Seine Haare waren noch feucht von einer raschen Dusche.
Raven schaute sich im Raum um, und seine Miene zeigte reine Freude – doch dann verdüsterte sie sich, als er die niedergeschlagene Haltung der Mädchen bemerkte. »Was ist los?«
Oberon zog die Stirn kraus. »Das solltest du dir am besten selbst ansehen.«
Raven warf Kitt einen eindringlichen Blick zu. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, denn er sollte ihre Angst nicht bemerken.
»Kommt, wir gehen zu ihnen«, sagte Oberon.
»RAVEN!«, schrien die Mädchen gleichzeitig und stürmten auf ihn zu. Sie hätten ihn fast aus dem Gleichgewicht gebracht. Er legte einen Arm um jede von ihnen und streichelte sie am Hinterkopf. Die Sorgen in seinem Blick wurden nur noch größer.
»He, he«, sagte er, »ist ja gut.«
Kitt hielt sich im Hintergrund. Er hatte eine Beziehung zu ihnen, die sie nie haben würde. Er hatte sie aufgezogen, hatte sich um ihre aufgeschlagenen Knie gekümmert, hatte sie zu Bett gebracht und ihre Albträume mitten in der Nacht verscheucht. Sie hingegen war nur die Frau, die sie geboren hatte.
»Zeigt es ihm«, sagte Oberon.
»Würde mir bitte mal jemand sagen, was hier eigentlich los ist?« Ungeduld lag in seiner Stimme.
»Sieh einfach nur zu«, antwortete Oberon.
Die Mädchen traten zurück und warfen die Laken von den Schultern. Darunter trugen sie noch ihre Abeolit-Anzüge. Fell breitete sich auf ihrer Haut aus, als sie sich auf Hände und Knie fallen ließen. Die Verwandlung erfolgte rasch und sanft: Die eine wurde zu einer Schneeleopardin, die andere zu einer Wölfin. Raven taumelte zurück und tastete mit der Hand herum, bis er einen Stuhl gefunden hatte, dann sackte er schwer auf die Sitzfläche.
»Bei der Erweckung waren sie beide Felierinnen. Nein …« Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht richtig.«
»Zeigt ihm den Rest«, sagte Kitt.
Sie drehten gleichzeitig die Köpfe und nickten. Bald wurde die Schneeleopardin dünner, und ihre Beine wurden länger, während die Beine der anderen schrumpften und runder wurden.
Wo vorhin eine große Katze gestanden hatte, befand sich nun eine Wölfin – und umgekehrt.
Raven öffnete und schloss unablässig den Mund. Er hatte die Augen aufgerissen und versuchte die Ungeheuerlichkeit dieses Vorganges zu begreifen. »Das ist unmöglich.«
Sein Erstaunen war echt. Eine solche Reaktion konnte er nicht vorspielen. Er hatte wirklich keine Ahnung gehabt. Die Mädchen verwandelten sich wieder in Menschengestalt und wickelten sich in ihre Laken.
Es war ganz still im Raum. Die Zwillinge ließen dieKöpfe hängen, als ob sie etwas Unrechtes getan hätten. Kitt wusste nicht, was sie sagen sollte, damit sie sich besser fühlten.
»Beide?«, fragte Oberon. »Ihr beide könnt das tun?«
Die Zwillinge nickten gleichzeitig.
»Niemand darf herausfinden, dass sie Dúbabeos sind«, sagte Kitt. »Insbesondere nicht die Jordan-Schar.«
»Was sind wir?«, fragte Cal, deren Stimme vor Angst zitterte.
»Dúba-was?«, fragte Antoinette. »Ist es denn keine gute Sache, dass sie beide Gestalten annehmen können?«
Kitt lachte. Selbst in ihren eigenen Ohren klang es ziemlich hysterisch.
»Sie sind ein Mythos, eine Legende«, sagte Oberon, der sich gegen die Wand gelehnt hatte. »Eigentlich dürften sie gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher