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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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sein.
    Ein dunkler Schatten zischte an ihm vorbei. Er erkannte einen Vogel, der grünlich leuchtete – sein mechanisches Käuzchen! Die Augen des Vogels waren gleißend helle Lichter und es flog genau auf Hartmann zu, der sein Gesicht mit dem Arm vor der Helligkeit schützte. Der schoss blind und Annabelle fiel in die Kanzel. Hatte Hartmann sie getroffen? War sie tot? Entsetzt kletterte Paul schneller.
     
    Paul hatte in den letzten Tagen in jeder freien Minute seine Konstruktion verbessert: Seit der Suche nach Sissi im stockdunklen Schwarzwald hatte er die Idee gehabt, wie es wäre, durch die Augen des Vogels sehen zu können. Er hatte Friedrich seinen verbesserten Vogel gezeigt.
    Nun trug dieser die Brille und versuchte sein Glück. Es war schwer, den winzigen mechanischen Vogel bei diesen Wetterbedingungen zu steuern. Außerdem hatte er große Schwierigkeiten, die Informationen der Augen des Vogels so schnell umzusetzen. Ihm fehlte die Übung, aber es war seine einzige Möglichkeit, nah genug am Geschehen zu sein, um eingreifen zu können.
    Als er erkannte, dass Hartmann auf Annabelle schießen wollte, flog er ein waghalsiges Manöver um den Mann zu blenden. Das Käuzchen schoss auf Hartmann zu und leuchtete ihm in die Augen. Friedrich konnte nicht sehen, ob der Mann schoss, und der Lärm der Kämpfe um ihn herum ließ ihn auch nichts hören. Er ließ den Vogel in einer weiten Kurve wieder auf die Kanzel zu fliegen. Annabelle stand nun vor Hartmann, er konnte nur ihren Rücken sehen. Was hatte sie vor? Was war denn in sie gefahren? Ihre Hände hoben sich, als ob sie Hartmann an die Gurgel gehen wollte. Friedrich konnte Paul erkennen, der nun auch an der Kanzel angekommen war.
    Zu seinem Entsetzen merkte Friedrich, dass sich die Propeller des Flugschiffes nun schneller drehten und es sich langsam in die Luft erhob. Er ließ das Käuzchen näher heran fliegen und entdeckte den Kapitän, der, ungeachtet des Kampfes zwischen Hartmann und Annabelle, das Steuerrad hielt und den Antriebshebel durchdrückte.
     
    Annabelle sah in das Gesicht von Walter Hartmann. Sie hatte nur Sekunden, bis er sich wieder fangen und wahrscheinlich noch einmal auf sie schießen würde, also trat sie schnell ganz nah an ihn heran und legte ihre Hände um seinen Hals. Damit hatte er nicht gerechnet. Seine Augen weiteten sich und er öffnete überrascht den Mund, als ob er schreien wolle, aber kein Ton kam heraus.
    Sie tauchte in ihn ein: In ein Leben voller Hass, auf seinen Bruder, auf die Menschen, die ihn seit seiner Kindheit verspotteten. Sie fand Verachtung: für sich selbst, seinen schwachen und hässlichen Körper. Sie fand Hochmut, eine überhöhte Selbsteinschätzung seines intelligenten Geistes, die es ihm erlaubte, sich über die anderen Menschen aufzuschwingen und über sie zu richten. Sie fand den brennenden Wunsch zu dominieren, zu herrschen, endlich das zu bekommen, was ihm seiner Meinung nach zu stand.
    Innen drin war er noch ein kleines Kind, das nicht gelernt hatte, mit seiner Wut umzugehen. Jemand ist böse? Dann sollte er getötet werden. Wie in Märchen, so dachte er nur in schwarz-weiß. Aber wie manche Märchenfiguren war er blind dafür, dass Strafe auch gerecht sein musste. Schneewittchen ist schöner als ich? Dann muss sie sterben! Es gab keine Einsicht, nur starre Schemata.
    Walter Hartmann fühlte sich betrogen, von seinen Eltern, seinem Bruder und der Welt. Er wusste um seine körperliche Hässlichkeit und war nicht in der Lage, darin eine Herausforderung zu finden – sich anzustrengen, ein guter Mensch zu sein. Nein, er war lieber auch innerlich hässlich und rachsüchtig. Und diese Mischung aus kindlichem Selbstmitleid und der ungebremsten Grausamkeit machte aus ihm einen zutiefst schlechten Menschen. Wahrhaft verdorben, dachte Annabelle kurz und mitleidlos.
    Sie fand eine winzige Unstimmigkeit, einen weißen Fleck auf der schwarzen Seele: Hartmann hatte eine Vision gehabt, er sah sich selbst wie einen Schmetterling, der aber noch im Larvenstadium ist und der Welt sein wunderschönes Farbenspiel noch nicht zeigen kann.
    Annabelle spürte den unbarmherzigen Zorn des Æthers in ihr rasen. Ein kleiner Teil von ihr wehrte sich dagegen, aber die Kraft floss reißend durch sie hindurch und verwandelte ihre linke Hand in ein Instrument des Todes. An Hartmanns Hals breiteten sich grüne Adern aus, die Haut wurde grau und starb. Hartmann röchelte, aber Annabelle drückte weiter zu.
     
    Obwohl seine Finger fast

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