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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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hier wäre. Was dann? Er verspürte Wut über den Mann, der sein Kind allein gelassen hatte. Gleichzeitig wuchs in ihm das Bedürfnis, Annabelle zu beschützen.
    „ Ich muss zu Dr. Burger Kontakt aufnehmen“, erklärte er Frau Barbara.
    Die nickte eifrig: “Das ist eine gute Idee! Ich habe eine Telefonnummer und eine Adresse.“ Sie trippelte davon.
    Paul wusste, er hätte die Adresse auch von seinem Vater bekommen können, aber er hatte beschlossen, ihn nicht zu fragen. Er musste Stellung beziehen, und im Moment war ihm seine Position ganz klar. Er würde dafür sorgen, dass sein Vater nicht mehr über Annabelle bestimmen konnte. Was ihm noch ein wenig Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass Dr. Burger mit seinem Vater zusammengearbeitet hatte, aber er hatte den Mann kennengelernt, und konnte sich nicht vorstellen, dass der wie sein Vater der Meinung war, Annabelle wäre eine Verdorbene.
    Nachdem er von Frau Barbara die Adresse bekommen hatte, machte er sich sofort auf den Weg.
     
    Kurze Zeit später raste er mit einem entrüsteten Dr. Burger in dessen Automobil den Berg hinauf. Sie wollten sofort zum Adlerhorst und sehen, ob sie etwas tun konnten.
    Sie saßen eine Weile schweigend in der Kabine. Baden-Baden lag unter düsteren Regenwolken, die Blätter in den Rinnsteinen waren vom Regen zu braunen Klumpen geschoben worden. Es schien, als ob die Welt heute eine Fotografie in Sepia wäre.
    „ Haben Sie es gewusst?“, fragte Dr. Burger.
    Paul schüttelte den Kopf. „Ich hatte mich schon gewundert, warum sie den Handschuh nie auszog, aber ich habe nicht gefragt.“
    „ Ändert es etwas?“
    „ Nein.“
    „ Das ehrt Sie.“ Burger lenkte das Auto die Serpentinen hoch.
    „ Was sollte es ändern? Annabelle ist für mich immer noch genauso liebreizend, rein und unschuldig wie vorher.“
    „ Da spricht der Romantiker.“ Dr. Burger lachte kurz auf.
    „ Ich bin nicht romantisch. Aber so denke ich, wenn ich mit ihr zusammen bin. Sie hat keinen Funken Schlechtes in sich. Das kann jeder sehen.“
    Dr. Burger nickte ernst.
    „ Unsere Gesellschaft geht aber mit Verdorbenen anders um.“
    „ Zum ersten Mal mache ich mir Gedanken um dieses Wort: “Verdorbene“. Was heißt das? Und warum hören wir nur von schaurigen Veränderungen? Gibt es keine guten, nützlichen Veränderungen?“ Paul sah aus dem Fenster in den Abgrund neben der Straße. Der Wald war dunkel und die Felsen kahl.
    „ Wie man es auch nennt, es bedeutet: Anders sein. Und das können wir nicht dulden.“
    Paul sah Dr. Burger an. Der lächelte leicht und schüttelte den Kopf: “Nein, ich schon. Ich sprach von der Gesellschaft.“ Dr. Burger machte eine kurze Pause.
    „ Ja“, sagte er dann gedehnt. „Menschen sind in der Masse fast unerträglich vorhersehbar und gefährlich. Aber es ist nur natürlich, auch Tiere stoßen die Missgeburten aus oder lassen Verletzte und Verkrüppelte zurück.“
    „ Wir sind keine Tiere“, empörte sich Paul.
    „ Stimmt. Aber in der Masse handeln wir nicht weise.“
    Wieder gab es eine Pause. Paul spürte Bitterkeit. Hatte er von Dr. Burger nichts zu erwarten?
    „ Ich komme aber gerne auf deine Frage von vorhin zurück, mein lieber Paul, wenn ich dich so nennen darf?“
    Paul nickte.
    „ Ja, es gibt nützliche Veränderungen. Es gibt sogar sehr viele davon. Du weißt nichts von ihnen, weil die Menschen, denen diese Veränderungen widerfahren, viel geschickter darin sind, sie zu verbergen. Es ist leichter, zu verheimlichen, dass man Gedanken lesen kann, als zu verbergen, dass man sich in einen Wolfsmann verwandelt hat.“
    Paul erschrak. Konnte Dr. Burger Gedanken lesen? Er sah den Mann an. Der lachte nun laut und ausgiebig. Dann strich er sich amüsiert über seinen Walrossschnurrbart.
    „ Nein, ich kann keine Gedanken lesen. Ich wüsste auch nicht, ob ich das wollte!“ Dann beruhigte er sich schnell, bevor Paul sich veräppelt fühlte.
    „ Wir schaffen das, Junge.“
     
    Als sie an dem Komplex ankamen, in den Annabelle gebracht worden war, war Paul dennoch zutiefst beunruhigt. Sie waren stetig nach oben gefahren, tief in den Schwarzwald hinein. Nun standen sie vor dem hohen Zaun, und einige uniformierte und schwer bewaffnete Wachen starrten sie misstrauisch an. Über dem eisernen Tor hing ein großer Adler und schien mit gespreizten Klauen auf ihn herunterstoßen zu wollen.
    Dr. Burgers Autorität brachte sie bis in einen kahlen Raum im großen Hauptgebäude, wo sie auf einen Ansprechpartner warteten.
    „

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