Aetherhertz
kann. Versuch es doch mal, von der anderen Seite aus zu sehen.“
Paul versuchte es, konnte es aber nicht. Er war zu sehr auf Annabelles Seite.
Die Tür öffnete sich wieder. Paul stand dem Major direkt gegenüber. Der blieb kurz stehen und musterte ihn. Paul fühlte sein Herz klopfen, wich dem Blick aber nicht aus.
Der Major ging an ihm vorbei und setzte sich. Er machte eine Geste zu Paul, der sich auch wieder auf seinen Stuhl begab. „Wir prüfen die Angelegenheit. Das Ganze ist äußerst unüblich. Die Quarantäne geht noch vier Tage. Danach können Sie noch einmal vorsprechen. Bis dahin werden wir entschieden haben, ob wir das Fräulein in Ihre Obhut geben können.“
Paul holte Luft um etwas zu sagen, aber Dr. Burger kam ihm zuvor: “Ja, gut. Falls Sie noch etwas von uns brauchen, was Ihre Entscheidung erleichtert, gebe ich Ihnen hier meine Adresse.“
„ Kann ich Annabelle sehen?“ Paul wollte nicht so einfach gehen.
Der Major nickte. „Aber nur ganz kurz und unter Aufsicht.“
Paul konnte es kaum glauben.
„ Wir sind ja keine Unmenschen.” Die Meinung konnte Paul gerade nicht teilen.
Er wartete in einem weiteren kahlen Raum auf sie. Er hatte ein ungutes Gefühl, das alles erschien ihm falsch, aber er hatte keine Wahl, er war gefangen, wie sie.
„ Paul!“, rief Annabelle, als sie den Raum betrat. Sie blieb unsicher stehen und verbarg ihre linke Hand im Ärmel. Er ging zu ihr und nahm sie fest in den Arm. Die Frau in Uniform, die Aufsicht hatte, meldete zwar mit einem Brummen ihr Unbehagen an, ging aber nicht dazwischen.
Paul sog ihren Duft ein. Sie hatten Annabelle eine Art Uniform angezogen, ein graues unschönes Stück Stoff. Sie war zerzaust und bleich und es brach ihm fast das Herz.
„ Annabelle“, flüsterte er. „Hör mir zu: Ich muss dir schnell etwas sagen. Sie wollen dich nicht hier raus lassen, weil du keine Verwandtschaft hast.“
Annabelle sah ihn ängstlich an. „Nein! Papa ist nicht tot ... und es gibt in Karlsruhe noch eine Schwester meiner Mutter ...“
„ Schsch ... hör mir zu: Ich habe denen gesagt, wir wären verlobt.“ Er sah ihr in die Augen und spürte, dass das ein kritischer Moment war.
Annabelles Augen weiteten sich. Sie schüttelte den Kopf. Dann füllten sich ihre Augen mit Tränen.
„ Ich weiß“, sagte Paul bedauernd. Auch er hatte sich diesen Moment ganz anders vorgestellt. „Bitte versteh doch! Ich kann dich nicht hier lassen.“
Wie falsch das alles war. Er fühlte sich wie ein Verräter. Er wusste, dass er Annabelle damit um eine wichtige Wahl betrogen hatte. Ein Moment, der einer der Schönsten ihres gemeinsamen Lebens hätte sein sollen, war nun verdorben. Verdorben! Er hasste es.
„ Annabelle: Ich liebe dich. Und wenn wir dich hier herausgeholt haben, dann fangen wir von vorne an. Bitte verzeih mir.“
Sie sah ihn an. Dann nickte sie. Eine Träne rollte ihre Wange herunter. Sie wischte sie energisch ab.
„ Ich verstehe. Ach Paul, ich wünschte nur ...“
Er küsste sie schnell, um nicht zu hören, was nur wehtun konnte. Es war geschehen, und er konnte und wollte es jetzt nicht mehr rückgängig machen. Sie küsste ihn auch, aber es war ein leiser Kuss, eine Berührung, die das Band zwischen ihnen beiden suchte und es nur leise schwingend ganz zerbrechlich im Hintergrund fand.
* * *
Walter Hartmann nippte an seinem Sherry. Er mochte Sherry eigentlich nicht, aber es machte Depuis wahnsinnig, wenn er den französischen Cognac ablehnte und stattdessen ein portugiesisches Gesöff bestellte. Aber Depuis war eben offiziell nur ein Wirt, und so behandelte er ihn gerne. Schließlich ließ er sich ja auch gut bezahlen.
„ Ich bin sehr zufrieden mit der Abwicklung des letzten Auftrags“, sagte er sanft. „Ich habe die Bezahlung schon angewiesen.“
Depuis saß ihm gegenüber und blieb stocksteif. Was für eine Krähe, dachte Walter Hartmann.
„ Die Vorfälle am Ende waren sehr unschön“, entgegnete Depuis ungnädig. “Isch 'abe es nischt so gerne, wenn die Polizei meine Veranstaltungen besucht.“
„ Nun, die Verantwortlichen sind ja festgenommen worden.“
„ Isch bin mir da nischt so sischer.“ Dauernd presste der Franzose seine fleischigen Lippen aufeinander, ekelhaft.
„ Aha? Wissen Sie etwas, das ich nicht weiß?“
„ Mais non. Aber ... es war kein Mord, das wissen Sie auch.“
„ Weiß ich das? Ich gehe von nichts anderem aus.“ Er tat ganz unbeteiligt und trank seinen Sherry.
„ Und wenn die
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