Aethermagie
Krankheit, an der wir leiden. Niemand holt uns, niemand befreit uns. Sie sind ja froh, dass sie uns los sind.« Sie schob den Teller beiseite. »Was ist dein Problem? Siehst du auch diese merkwürdigen Wesen?« Sie lachte über Katos Gesicht. »Nun schau nicht drein wie ein erschrecktes Kaninchen. Die meisten hier sehen irgendwelche Dinge, die es nicht gibt. Hier drin darfst du darüber sprechen. Es kann dir ja nichts mehr passieren.«
Kato seufzte. »Und du?«, versuchte sie von sich abzulenken.
Angelica grinste. »Ich hab einen Freier abgestochen«, sagte sie vergnügt. »Er hatte es verdient. Aber erzähl das mal, ohne dass sie dich für verrückt erklären.« Sie schob die Finger unter ihr Kopftuch und kratzte sich kräftig. »Bisher hab ich es geschafft, an der Brille vorbeizukommen. Bin sehr kooperativ, weißt du? Wenn ich dir einen Rat geben kann: Mach alles, was sie von dir verlangen. Dann hast du hier ein ruhiges Leben. Ab und zu gibt es mal die Badewanne, da musst du durch. Wenn du Pech hast und deine Nase gefällt einem der Wärter nicht, kriegst du die Zappelbehandlung. Ist aber auch nicht schlimm, meistens erinnert man sich hinterher noch nicht mal dran.« Sie bohrte ihren Daumennagel zwischen die Zähne und fuhr undeutlich fort: »Man erinnert sich dann sowieso an nichts mehr. Kommt aber fast alles wieder.« Sie spuckte ein Stück Brotrinde aus und wischte den Finger an ihrem Rock ab. »Such dir einen Wärter und sei ein bisschen nett zu ihm, dann passt der auf dich auf. Ich kann dir sagen, welche von denen in Ordnung sind und das nicht allzu sehr ausnutzen.« Sie wandte den Kopf und sah zu dem langen Tisch hinüber. Dort wurde gerade abgeräumt, ein Wärter packte alles in große Blechwannen, ein anderer wischte den Tisch sauber. »Meiner ist heute nicht da. Kennst du bestimmt, so ein Großer, Dummer. Moroni.« Sie drehte sich wieder zu Kato. »Ich würde ihn dir empfehlen. Er ist stärker als alle anderen und viel zu bescheuert, um dir an die Wäsche zu gehen.« Sie lachte und lehnte sich zurück. »Er soll selbst mal Patient hier gewesen sein. Dem müssen sie die Brille aber aus Versehen doppelt verpasst haben, der findet seinen eigenen Hintern nur, wenn ihm einer den Weg zeigt.
Dann musst du die Ärzte kennen, die für dich zuständig sind. Die Chefärzte sind Dr. Stadler, Dr. Rados und natürlich der oberste Chef, Professor Charcot.« Sie verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln. »Der behandelt aber nur die Elite, nicht uns gewöhnliche Irre. Wenn du zu den Auserwählten gehörst – gratuliere. Charcot ist Gott. Jedenfalls glauben das hier alle.« Sie lachte lauthals.
»Na, Hoheit? So gut gelaunt? Brauchst mal wieder eine Abkühlung, was? Soll ich die Badewanne für dich reservieren?«
Es war der dünne Wärter, vor dem Angelica sie vorhin gewarnt hatte. Er hatte ein verschlagenes, mageres Gesicht mit einer erstaunlich fleischigen Nase, die einem dickeren Mann als ihm zu gehören schien. Kato ertappte sich dabei, dass sie die Nase anstarrte und überlegte, ob sie falsch war und wie er sie angeklebt haben mochte.
»Verpiss dich, Hader«, erwiderte Angelica ungerührt. »Ich gehöre nicht zu deinen Opfern.«
Er ließ seinen Blick zu Kato wandern. Ein Lächeln lag auf seinen dünnen Lippen. »Du bist neu, hm? Wem haben sie dich zugeteilt?«
»Moroni«, antwortete Angelica an ihrer Stelle und warf Kato einen warnenden Blick zu.
Der Dünne grunzte enttäuscht. »Wieder ein Prinzesschen für den Harem des Idioten? Welcher Ochse macht hier eigentlich die Pläne?«
»Professor Charcot«, erwiderte Angelica zuckersüß.
Kato sah, wie der Wärter zurückprallte. Er murmelte etwas und machte sich davon.
»Danke«, sagte Kato.
Angelica zuckte die Achseln. »De nada.«
Die Tür wurde geöffnet und die ungeschlachte Figur Moronis verdeckte die Öffnung. Er stand mit hängenden Armen da und starrte herein, die kleinen Augen zusammengekniffen. Kato sah, wie Angelicas Gesicht aufleuchtete. Ihre Bemerkung über Moroni sollten wohl nur darüber hinwegtäuschen, dass sie ihren Wärter ehrlich gern hatte. Angelica hob die Hand und gab Moroni ein Zeichen. Sein Blick wanderte ausdruckslos über sie hinweg, seine Miene erstarrte kurz zu einer Grimasse der Konzentration, dann wandte er erneut den Kopf und sah Angelica an. Er lächelte und winkte zurück. Dann schob er seinen wuchtigen Körper durch die zur Tür drängenden Insassen, bis er bei ihnen angelangt war.
»Moroni«, sagte Angelica hastig
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