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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Signatur »Hermann«.
    Katya las die Notiz, las sie ein zweites Mal. Verstand die Anspielung und wusste, was er von ihr erwartete – die Pique-Dame-Simulation.
    Sie hob den Blick. Seine Miene erschien ihr spöttisch und lauernd zugleich, seine Augen so kalt und undurchsichtig wie schwarzer Marmor. »Sie verdammter Verräter«, zischte sie. »Sie widern mich an.« Sie warf den Kopf zurück und spuckte ihm ins Gesicht. Er hob ohne Hast die Hand, als wollte er die Spucke abwischen, und versetzte ihr eine Ohrfeige.
    Katya fauchte wie eine Katze, sprang auf und warf sich über den Tisch, um ihm an die Kehle zu gehen. Sie rangen miteinander, der Tisch scharrte über den Boden, ein Stuhl fiel um.
    Die Männer im Hintergrund, die zuerst wie erstarrt dagesessen hatten, sprangen auf und rissen die beiden auseinander. Katya wehrte sich nur schwach gegen den Klammergriff des Größeren. Sie stieß einen stöhnenden Jammerlaut aus und griff sich an die Brust, sackte schwer gegen ihn und ließ zu, dass er sie ungeschickt zu Boden gleiten ließ. »Was soll das Theater?«, hörte sie ihn rufen.
    »Nein, nein«, erwiderte Pejić. Sie hörte, wie er um den Tisch kam. »Das ist kein Theater … hat jemand von Ihnen Nitroglycerin? Kapseln? Hier im Haus?« Er kniete neben ihr, sie fühlte, wie er fest gegen ihren Brustkorb drückte. Er knöpfte ihren Kragen auf, legte das Ohr auf ihre Brust. Seine Hand glitt unter ihre Jacke, machte sich in ihrem Rücken an ihrem Rockbund zu schaffen. »Bitte, beeilen Sie sich«, sagte er scharf.
    »Wir haben nichts dergleichen vorrätig. Was hat sie?« Eine scharfe, befehlsgewohnte Stimme.
    »Ich führe Nitroglycerinkapseln mit mir«, sagte Pejić und richtete sich auf. »Meine Frau ist herzkrank, Angina Pectoris. Frau Nagy leidet an derselben Krankheit. Wenn Sie erlauben, Oberst …«
    »Nun machen Sie schon, Mann!«, fuhr der andere ihn an.
    Pejić beugte sich über Katya. Sie spürte, wie er zwei glatte Kapseln gegen ihre Lippen drückte, und öffnete den Mund. Sie stöhnte.
    »Zerbeißen«, sagte er und schob die Kapseln in ihren Mund. »Lassen Sie den Mund zu. Gut so.«
    Er hob den Kopf. »Bringen Sie sie in ihre Zelle. Sie muss schlafen, mindestens sechs Stunden. Für wann ist die Exekution angesetzt?«
    Katya hielt den Atem an. Sie schob die beiden Kapseln vorsichtig in die Backentasche und hielt die Augen geschlossen.
    »In zwei Tagen«, sagte der Oberst. »Minister von Windesberg hat noch nicht abschließend entschieden, ob sie füsiliert oder gehenkt wird.«
    »Hauptsache tot«, erwiderte der große Mann ungerührt, der sie aufgefangen hatte. Er packte sie unter den Armen und hievte sie auf die Füße. »Kannst du wieder laufen, Mädel?« Er trug sie mehr, als sie selbst einen Fuß vor den anderen setzte, zur Tür. Ihr Kinn hing auf der Brust. Sie hob mühsam den Blick und sah Pejić hasserfüllt an. »Ich bringe dich um«, knurrte sie. »Ich erschieße dich wie einen tollen Hund, wenn ich hier herauskomme.«
    Das Lachen der Männer begleitete sie auf den Korridor. Sie wurde in ihre Zelle geschoben und fiel auf ihre Pritsche, am ganzen Leib zitternd wie eine Fieberkranke. Die Riegel wurden knallend vorgeschoben, die Schritte entfernten sich.
    Katya atmete tief und bebend ein. Sie beugte sich vor, spuckte die Kapseln aus und fuhr sich fahrig über das Gesicht und durch die Haare, ehe sie nach dem harten Gegenstand in ihrem Rockbund tastete. Flach und kalt, Metall. Sie zog ihn heraus – ihr Zigarettenetui.
    Katya blinzelte aufschießende Tränen weg und öffnete es. Streichhölzer. Zigaretten. Platz für die beiden Kapseln.
    Sie stopfte die dünne Decke in ihren Rücken, umklammerte das tröstlich vertraute Etui und rauchte. Zwei Tage bis zu ihrer Hinrichtung. Wer auch immer womöglich noch zu ihrer Rettung nahen wollte – er musste sich verdammt sputen.

9
Die Anstalt
    Ein fremdes Bett, ein fremder Raum, fremde Gerüche und Geräusche. Kato lag aufwachend noch mit geschlossenen Augen da, lauschte, fühlte das glatte, feste Leinen der Bettwäsche und einen kühlen Luftzug, der durch den Fensterspalt hereinwehte. Sie war nicht zu Hause?
    Kato benötigte ein paar dem Wachwerden entgegentreibende Momente, bis sie wusste, wo sie war. Dann streckte sie sich mit einem Jammerlaut aus, rollte sich wieder zusammen, presste die Fäuste gegen die Augen und wünschte sich,
wünschte
sich mit aller Macht zurück, nicht nach Hause, sondern in eine Vergangenheit, die ihr heute so schwerelos und bunt, voller

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