Aethermagie
Lachen und Sorglosigkeit erschien, dass das graue, schwere Jetzt dagegen umso bleierner an ihren Gliedern zu hängen schien.
Der Moment ging vorüber, sie fand sich immer noch an dem unvertrauten Ort, im fremden Bett und richtete sich widerwillig auf. Die Kleider, die auf dem Hocker für sie bereitlagen, waren von einem ausgeblichenen Grauton, der die Farbe des Himmels vor dem vergitterten Fenster zu imitieren schien. Es regnete.
Kato stand auf und zog die Kleider an. Der Rock war zu weit, das jackenähnliche Oberteil an den Ärmeln abgestoßen und säuberlich mit Flicken repariert worden, die Strümpfe waren fest gestrickt und scheuerten an der empfindlichen Haut der Zehen.
Kato band sich als Letztes das Kopftuch um und stieg in die klobigen Pantinen. In ihrer Kostümierung als junger Mann hatte sie sich nicht so fremd und verkleidet gefühlt wie in diesen Kleidern.
Sie setzte sich auf die Bettkante, ungewiss, was nun geschehen sollte. Würde man sie holen kommen und ihr zeigen, wo sie ein Frühstück und eine Waschgelegenheit finden konnte? Oder musste sie sich selbst auf den Weg machen und es herauszufinden versuchen?
Das Türschloss knackte und die Tür sprang auf. »Guten Morgen«, rief eine mondgesichtige Frau und zog den Schlüssel aus dem Schloss. »Auf, auf. Trödle nicht so herum, 342. Das Frühstück wartet nicht und du hast gleich danach eine Sitzung beim Herrn Professor.«
Kato stand schon, bevor sie die Worte der Wärterin richtig verstanden hatte, aber als sie das Gehörte noch einmal überdachte, blieb ihr vor Überraschung der Mund offen stehen. »Wie haben Sie mich angesprochen?«, fragte sie empört.
Die Frau, die geschäftig durch das kleine Zimmer lief und einen leeren Zinkeimer in der Ecke begutachtete, als wäre er ein archäologisch wertvolles Fundobjekt, sah sie mit echter Verblüffung an. »Wie sollte ich dich schon ansprechen?«, fragte sie zurück und wies mit spitzem Zeigefinger auf die verwaschene Jacke, die Kato trug. »Ich kann mir nun wirklich nicht jeden eurer Namen merken. Nun mach mal keine Sperenzchen, Kind, wenn du noch ein Frühstück bekommen willst, solltest du dich lieber sputen.«
Sie wuselte zur Tür hinaus und klapperte draußen ungeduldig mit dem Schlüsselbund. »Hopp, hopp«, hörte Kato sie rufen. »Ich muss abschließen. Stiehl mir nicht meine Zeit!«
Kato starrte immer noch auf die Nummer, die mit blauem Garn auf ihren Jackenärmel gestickt war: »342«.
Als sie ihre Verblüffung überwunden hatte, folgte sie der Wärterin, die mit schnellen Schritten vor ihr hereilte und dabei unablässig redete. Kato scheiterte daran, eine Frage in den Redefluss zu fädeln und zuckte mit den Achseln. Nach dem Frühstück würde sie Professor Charcot sehen und ihn auffordern, sie gehen zu lassen. Dies hier war kein Ort, an dem sie verweilen wollte, und im Augenblick war es ihr sogar gleichgültig, ob das Sicherheitsbureau sie wieder festnehmen würde. Aber dazu musste man sie schließlich erst einmal finden, und das würde sie schon zu verhindern wissen. Sie musste nach Hause. Adelaïde war ganz allein, sie würde sich fragen, was mit Kato geschehen war, und sich Sorgen um sie machen. Und ihr Vater war tot – sie wollte wenigstens, wenn sie schon sonst nichts mehr für ihn tun konnte, seiner Beisetzung beiwohnen und dort endlich um ihn weinen!
Über diesen Gedanken achtete sie nicht mehr auf ihre Begleiterin und prallte recht unsanft gegen deren Rücken, als sie plötzlich stehen blieb.
»Na!«, sagte die Wärterin und griff nach Katos Arm. »Langsam, Fräuleinchen.« Sie öffnete eine breite Tür und schob Kato hindurch. »Nicht vergessen, du hast einen Termin«, rief sie und schloss die Tür.
Kato schüttelte sich unwillkürlich. Mit dem Öffnen der Tür schwappte ein unglaubliches Getöse in den Gang, und dieser Lärm, eine Mischung aus metallischem Geklapper, Klirren, Scheppern, dem Kratzen von Stuhlbeinen auf Steinboden, lautem Stimmengewirr, Gelächter, Rufen, schrillem Kreischen und anderen Lautäußerungen, ließ ihre Ohren beinahe ertauben.
Der Saal war wohl der Raum, in dem sie ihre Mahlzeiten einnehmen musste. Sie sah sich um und wäre am liebsten gleich wieder geflüchtet – hier würde sie keinen Bissen herunterbringen.
Die großen Tische waren besetzt mit Menschen jeden Alters, die allesamt diese verwaschene, schlecht passende Kleidung trugen, in der auch Kato steckte. Das gab dem Ganzen einen Anschein von Gleichförmigkeit, der sich bei näherer
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