Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
»Ich fühle mich schlecht«, sagte sie.
    Charcot nickte knapp. »Schuldgefühle«, sagte er. »Sie laufen aber nicht mehr davor weg, das ist gut. Sie stellen sich dem Tod ihres Vaters und ihren Gefühlen. Damit haben wir einen großen Schritt vorwärts gemacht.« Er beugte sich vor und goss Wasser in ein Glas. Dann schüttelte er zwei Tabletten aus einem Tütchen und warf sie in das Glas. Kato sah zu, wie sie sich aufzulösen begannen.
    »Glauben Sie immer noch, dass die Geheimpolizei Sie verfolgt und dass es eine groß angelegte Verschwörung gibt, nur zum Zweck, irgendwelche kleinen Wesen zu quälen und zu versklaven?« Er rührte das Wasser kräftig um und reichte ihr das Glas.
    Kato ergriff es zögernd. »N… nein«, sagte sie. Das Glas lag kühl in ihrer Hand. Das Wasser war milchig durch die aufgelösten Tabletten.
    »Gut. Sehr gut.« Er klappte das Notizbuch zu. »Dann können wir heute einen großen, wichtigen Schritt zusammen machen. Sie werden eins dieser seltsamen Wesen beschwören, ihm den Befehl geben, Ihnen zu folgen und dann sehen wir, was geschieht.«
    Kato sah das Flimmern am Rand ihres Blickfeldes und riss den Kopf herum. Ein kleines, flammendes Geschöpf mit dunklen Augen und einem breiten Mund. Calander. Er winkte und tanzte von einem Bein auf das andere. Schien sie vor etwas warnen zu wollen. Aber wie konnte er hier – ohne Æther …
    »Was sehen Sie dort?«
    Die scharfe Frage des Arztes ließ ihre Konzentration reißen wie dünnes Papier. Das Bild des Plasmateufelchens verschwand, als hätte Charcot es ausgepustet.
    »Es ist nichts«, sagte sie und trank das Glas mit zwei großen Schlucken leer. Bitter. Bitter wie Tränen.

    »… Mund auf. Fräulein Kato, hören Sie mich? Machen Sie den Mund auf.« Finger zwängten sich zwischen ihre Lippen, übten Druck auf ihr Kiefergelenk aus. Kato presste die Zähne zusammen und gab protestierende Laute von sich. Ihr war schwindelig. Sie hatte die Augen geöffnet, sie aber, als sich alles vor ihnen drehte, schnell wieder geschlossen.
    Jetzt hielt der Grobian ihr die Nase zu. Kato stieß einen empörten Schrei aus, schnappte nach Luft – und der Mann schob ihr blitzschnell einen Finger tief in den Hals.
    Kato würgte, zappelte, wollte ihn schlagen, schreien, aber er hielt sie mit geübtem Griff so gepackt, dass ihr keine Möglichkeit blieb, sich zu wehren. Und dann setzte der Würgereflex ein. Der Mann half ihr, sich vorzubeugen, und sie erbrach sich vor seine Füße. Heftig, konvulsiv, schmerzhaft, mehrmals, bis ihr Magen nur noch krampfhaft zuckte, aber nichts mehr besaß, wovon er sich noch befreien konnte.
    Sie keuchte und zitterte, bemerkte dankbar, dass man ihr mit einem feuchten Tuch das Gesicht abwischte, und nahm das Glas Wasser, das der Mann ihr reichte, mit unsicheren Händen an. Ihre Augen klärten sich, sie trank kleine Schlucke und sah ihn an. Der Wärter Grünwald. Er stand da mit bespritzten Hosenbeinen in der Pfütze ihres Erbrochenen. Kato räusperte sich, das Kratzen im Hals und der bittere Geschmack besserten sich mit jedem Schluck Wasser ein wenig. »Warum …«
    »Wir haben wenig Zeit«, unterbrach er ihre Frage. »Was hat er Ihnen gegeben? Tabletten? Pulver? Tropfen?«
    »Tabletten«, sagte sie heiser.
    »Gut.« Er schien aufzuatmen und wischte die Hände achtlos an dem feuchten Lappen ab, den er immer noch festhielt. »Dann dürften Sie in ein paar Minuten wieder klar und wach sein. Hören Sie mir jetzt bitte gut zu: Sie werden gleich in die Wärmebehandlung geschickt. Sorgen Sie sich nicht, es ist nicht gefährlich, vielleicht ein wenig unangenehm. Aber es kann Ihnen nichts dabei passieren. Verhalten Sie sich möglichst ruhig. Denken Sie daran, dass Sie ein Beruhigungsmittel bekommen haben.« Er wies mit einem schiefen Lächeln auf die Pfütze.
    Kato richtete sich auf. Sie befand sich auf dem Bett in ihrer Zelle. Wie war sie hierhergekommen? Sie erinnerte sich nur noch an das Gespräch mit Charcot und dann an nichts mehr.
    »Bleiben Sie konzentriert!« Die Stimme des Wärters war scharf und klang befehlsgewohnt. Kato sah ihn verblüfft an. Die Schatten unter seinen Augen waren dunkel und die Falten in seinem Gesicht so scharf und tief, als hätte ein Messer sie hineingeschnitzt. Jeder Anschein von Harmlosigkeit und Einfalt war wie mit einem großen Schwamm aus seinen Zügen gelöscht worden – dieser Mann, der vor ihr stand, war ihr so fremd wie ein nächtlicher Dieb.
    Er fuhr fort, und sein Blick flog immer wieder zur Tür,

Weitere Kostenlose Bücher