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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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irgendwelche Wärter oder so etwas. Und das Gleiche galt für die Bekannten ihrer Stiefmutter. Kato schüttelte den Kopf. Sie musterte Grünwald unter gesenkten Wimpern, während er sie durch die Korridore der Anstalt führte. Wie alle Wärter, die sie hier angetroffen hatte, war er groß und breit gebaut, mit kräftigen Muskeln. Er machte keineswegs einen dummen, ungehobelten oder groben Eindruck auf sie, er begegnete ihr höflich und durchaus manierlich … aber ein Freund der Familie? Unvorstellbar!
    Der Wärter öffnete schweigend eine Tür und geleitete sie hinein. Es war nicht das Zimmer mit dem Schneewittchensarg, wie sie gefürchtet hatte, sondern ein nüchtern mit einigen Stühlen und einem Tisch möblierter Arbeitsraum ohne Fenster. Grünwald bedeutete ihr, sie solle sich setzen und klopfte dann an die Tür zum Nebenzimmer. »Ich komme«, kam die gedämpfte Antwort. »Sie soll sich setzen.«
    Grünwald schickte ein Lächeln in ihre Richtung, das seine Augen nicht erreichte. »Denken Sie an meine Worte«, sagte er leise, als er an ihr vorbeiging. »Zeigen Sie sich kooperativ, in Ihrem eigenen Interesse!« Mit dieser letzten Warnung verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich.
    Kato faltete die Hände fest in ihrem Schoß und zwang sich zu einigen langsamen, tiefen Atemzügen. In ihren Augenwinkeln flimmerte die Luft. Sie wandte langsam den Kopf, aber da war nichts. Und auch das leise Glucksen, der Geruch nach brackigem Wasser, das Gefühl, dass etwas über ihre Haut strich … das waren sicherlich alles nur Produkte ihrer überreizten Nerven.
    »Fräulein von Mayenburg.« Sie fuhr zusammen, hatte das Eintreten des Professors nicht bemerkt, weil sie so angestrengt diesen verwirrenden Sinneseindrücken nachgespürt hatte.
    »Herr Professor«, erwiderte sie und sah ihn an. Er war das Musterbild eines vertrauenerweckenden, gütigen Arztes, mit dem weißen Haarkranz und seinem Spitzbart, der rundlichen Figur, dem freundlichen Klang der Stimme. Aber wenn sie in seine Augen sah, konnte sie sehen, wie dünn diese Maske war und welche Kälte, welch fanatischer Ehrgeiz sich hinter dieser väterlichen Fassade verbargen. Sie senkte den Blick und betrachtete ihre Hände. Waren ihre Finger dünner geworden? Blasser? Wie lange war sie schon hier? Warum konnte sie sich an nichts erinnern?
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte der Arzt.
    »Gut«, erwiderte Kato mit dünner Stimme. Sie räusperte sich und wiederholte fester: »Gut, danke.«
    »Sehr schön.« Sie hörte, dass er einen Stuhl heranzog. Er setzte sich ihr gegenüber und griff nach ihrem Handgelenk. Kato versteifte sich kurz, aber als er nur ihren Puls zählte und dabei mit abwesendem Blick auf seine Uhr schaute, entspannte sie die verkrampften Schultern und ließ ihn gewähren.
    »Wir sollten heute über Ihre Weigerung sprechen, sich Ihren Ängsten zu stellen«, sagte der Professor und klappte seine Taschenuhr zu. »Ich würde Sie dazu gerne in eine leichte Hypnose …«
    »Nein«, sagte Kato fest. »Es wäre mir lieber, wenn ich bei wachem Verstand bleiben dürfte.«
    Seine Augenbrauen wanderten die Stirn empor. »Sie sprechen sehr gut auf Hypnose an«, erwiderte er mit sanftem Tadel. »Es würde Ihnen und mir den Zugang zu den Widerständen erleichtern, die sich beständig einer vollständigen Genesung in den Weg stellen.«
    Kato schüttelte den Kopf. »Es muss so gehen.«
    »Nun gut.« Er räusperte sich mehrmals ungehalten. »Fangen wir mit dem gestrigen Tag an. Sie haben sich im Schneewittchenzimmer wacker geschlagen, aber an einem Punkt hätten wir Sie beinahe verloren. Woran erinnern Sie sich?«
    Woran erinnerte sie sich? Kato runzelte die Stirn. Wasser schwappte über ihre Arme. Jemand lachte und ein anderer sang.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Nebel. Es war kalt.«
    Er nickte und notierte etwas in dem Notizbuch, das er auf den Knien liegen hatte. »Das sind die Begleitumstände der Behandlung«, erklärte er und seinem Tonfall war anzumerken, dass er dies schon hunderte Male erklärt hatte – ihr und anderen Patienten. »Æther ist nur bei Temperaturen um den Gefrierpunkt für unsere Lungen atembar. Das verkürzt natürlich die Verweildauer in der Behandlungsumgebung gewaltig. Der Nebel ist eine Erscheinung, die auch andere Patienten schon vermeldet haben. Sagen Sie mir: Befand sich außer Ihnen etwas in diesem Nebel?«
    Kato blinzelte heftig. Verneinte. Sie hörte in ihrer Erinnerung, wie Calander ihren Namen rief.
    »Nein?«

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