Aethermagie
Mönche, die neben den Torflügeln standen und wachsam in die Dunkelheit starrten. Sie waren bewaffnet und offensichtlich voller Sorge. »Was geht hier vor?«, fragte sie halblaut.
Der Rote, der vor ihr ging, warf einen Blick zurück. »Riecht nach einem Angriff«, erwiderte er.
»Angriff.« Katya zog unwillkürlich die verletzte Hand enger an den Körper. »Wer sollte die Zuflucht angreifen? Das hieße ja, dass der Ort verraten wurde.«
»Das heißt es, ja.«
Katya fuhr zusammen. Sie hatte mit ihrem fiebrigen Kopf nicht bemerkt, dass ein Mönch an ihre Seite getreten war. Er schlug seine Kapuze zurück und sie erkannte Pater Anselms sorgenzerfurchtes Gesicht. »Verrat?«, fragte sie.
Anselm nickte und griff nach ihrem Ellbogen, um sie zu stützen.
»Du bist verletzt?« Seine Frage klang resigniert, als hätte er nichts anderes erwartet.
Katya schüttelte den Kopf. »Nur erschreckt und erschöpft«, sagte sie mit einem Lächeln, das ihn beruhigen sollte. »Nichts, was nicht nach etwas Schlaf wieder in Ordnung wäre.« Sie fühlte ihre Hand in der Schlinge, und schauderte unwillkürlich. Etwas Feuchtes, Glattes schien durch ihre Finger zu gleiten, schlängelte sich, war verschwunden. Ein Luftzug fächelte kühl ihre verbundenen Finger. Was waren das für Empfindungen?
Der Pater Guardianus vernahm ihre Worte mit sichtlicher Erleichterung. Er drückte herzlich ihre Schulter und wandte sich dann ab, um den Oberpani zu begrüßen, der nun herankam. »Pani Kalk«, sagte der Pater und neigte den Kopf. »Danke, dass Sie gekommen sind, um uns in unserer Bedrängnis beizustehen.«
»Die Zuflucht stand meinen Leuten immer offen«, erwiderte der König der Strotter ernst. »Ich fühle mich zutiefst verpflichtet, Ihnen zu Hilfe zu kommen. Was den Orden bedroht, bedroht auch mein Volk.«
Sie gelangten in die vordere Halle, in der rege Betriebsamkeit statt der gewohnten Stille herrschte. Katya erkannte einige der Mitglieder des Hohen Rates zwischen den Ordensangehörigen. »Sind alle hier?«, fragte sie Anselm. Der Guardianus schüttelte den Kopf, und der Schmerz, der seine Miene überschattete, sprach Bände. Katya fröstelte. »Wer wird vermisst?«
Anselm nannte einige Namen, dann zögerte er und fügte hinzu: »Samuel ist tot.«
Katya fand sich in einer der stillen, kleinen Zellen wieder, auf einem der harten Lager, das ihr dennoch so bequem und weich erschien, als läge sie auf einer Rasenbank. Sie streckte sich und ließ die Erinnerung an all das Vorangegangene langsam in ihr Bewusstsein tröpfeln. Der Schmerz über den Tod ihres alten Freundes war scharf wie ein Rasiermesser. Sie hatte den knappen Bericht des Paters Guardianus nur bruchstückhaft aufnehmen können, so sehr musste sie darum kämpfen, nicht wieder in einen Zustand der Bewusstlosigkeit zu sinken, der ihr so verlockend erschien wie die Arme eines Geliebten. Die Zuflucht war verraten worden. Es musste jemand dahinterstecken, dem sie alle vertraut hatten. Soldaten und Mitglieder des Evidenzbureaus belagerten den Haupteingang des Ordenshauses – glücklicherweise schien der Zugang, den die Strotter gewählt hatten, noch unentdeckt zu sein, aber es war eine schlichte Frage der Zeit, wann auch hier Soldaten standen und dann waren alle Wege hinein oder hinaus abgeschnitten und die Zuflucht vollständig eingekesselt.
Inzwischen tagte wahrscheinlich der kümmerliche Rest des Rates gemeinsam mit den Hauptleuten der Strotter und den Ordensoberen, um das weitere Vorgehen zu beraten.
Katya setzte sich auf und betastete ihre Hand. Das erschreckende Gefühl, als hinge ein toter Klumpen Lehm an ihrem Handgelenk, hatte sich nicht verändert. Und immer noch sandte dieselbe Hand Signale von eigenartigen Tastempfindungen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten, an Katyas Gehirn und brachte sie vollkommen durcheinander.
Sie seufzte und legte ihren Arm wieder in die Schlinge. Als sie den Kopf hob, öffnete sich die Tür und Belpharion trat ein. Er nickte ihr zu und sagte, als hätten sie sich zuletzt vor ein paar Minuten im Gespräch getrennt: »Es wird eng, Katya. Sie stehen vor den Toren. Ich fürchte, wir haben einen Verräter unter uns.«
»Hegst du einen Verdacht?«
Der Leukos hob die Schultern. Er musterte ihren Arm, und seine Miene war argwöhnisch. »Was ist geschehen?«
»Ætherfalle«, erwiderte Katya knapp. Ihre Hand begann zu pochen.
Belpharion spitzte die Lippen. »Setz dich«, befahl er. Katya gehorchte verblüfft.
Der Leukos zog ohne weitere
Weitere Kostenlose Bücher