Aethermagie
blieb neben ihr stehen. »Ist sie bei Bewusstsein?«
Katya öffnete die Augen und kämpfte Schwindel und Übelkeit hinunter. »Ja«, antwortete sie an Milans Stelle. »Ich bin wieder da und würde gerne aufstehen. Wohin sind wir unterwegs, Pani Kalk?«
»Wir sind auf dem Weg zur Zuflucht«, erwiderte der Strotter. »Pater Anselm hat um Hilfe ersucht. Bleiben Sie auf der Trage, Major. Es geht schneller so.« Er sah den Strotter am Kopfende an. »Binde sie aber los.«
Der Mann beugte sich gehorsam vor und löste den Riemen, mit dem Katyas Arm fixiert war. Sie stöhnte unwillkürlich, weil die Bewegung einen dumpfen Schmerz durch ihren Arm jagte, und wollte mit der gesunden Hand über das verletzte Glied reiben. Ihre Finger trafen auf die Stelle, an der ihre linke Hand hätte sein müssen – und fassten ins Leere.
Katya setzte sich hastig und erschreckt auf und tastete erneut nach ihrer Hand. Sie öffnete und schloss die Finger, was ein scharfes Prickeln durch die Muskeln und Nerven des Armes sandte, und konnte deutlich fühlen, wie ihre Finger sich schlossen, einander und die Handfläche berührten und danach wieder auseinanderstrebten. Katya starrte die verbundene Hand an. Dort regte sich nichts. Es war der Umriss einer Hand zu sehen, aber sie lag starr und bewegungslos in ihrem Schoß.
»Was …?«, sagte sie und zupfte an dem Verband. Sie konnte fühlen, dass dort etwas war, auch wenn es sich seltsam anfasste, nachgiebig, formlos, nicht wie Fingerglieder, Fleisch und Knochen, sondern eher wie eine Masse aus festem Teig oder Gummi.
Der Oberpani beugte sich zu ihr und hielt sie davon ab, den Verband zu lösen. »Lassen Sie es, wie es ist«, sagte er, und eine sanfte Warnung schwang im Klang seiner Worte mit. »Mein Leibarzt wird sich später darum kümmern. Oder, noch besser, Meister Tiez.«
»Er ist fort«, warf der Rote ein. »Verschwunden.«
»Ja, das hast du gesagt.« Der König der Strotter presste die Lippen in einer Aufwallung zusammen, die gleichzeitig Zorn und Resignation ausdrückte. »Wir sollten nun weitergehen.«
Katya, die beim Aufsetzen bemerkt hatte, wie schwindelig und unwohl ihr war, legte sich wieder auf die Trage zurück und sank in einen Dämmerschlaf.
Etwas versetzte ihr einen heftigen Stoß, ihr Kopf ruckte nach vorne und prallte zurück auf die Trage. Sie ächzte und öffnete die Augen. Es war dunkel. Weiter vorne konnte sie das Licht einer Fackel erkennen, die einen düsteren, engen Höhlengang ausleuchtete. Jemand sagte: »Dort ist der Eingang.«
Katya hob die gesunde Hand und berührte Milan, der immer noch neben ihrer Trage herging. »Lass mich aufstehen«, bat sie. »Ich möchte auf meinen eigenen Beinen die Zuflucht betreten.«
Wenig später stand sie, wenn auch wackelig, auf den Füßen und Milan stützte sie. Katya hielt ihren Arm abgewinkelt vor der Brust, denn ihn hängen zu lassen rief ein Gefühl hervor, das ihr Angst einjagte – ganz so, als wäre ihre Hand so lose am Handgelenk befestigt, dass sie einfach abfallen würde, wenn man ihr keine Beachtung schenkte.
Milan sah, wie sie krampfhaft den Arm gegen die Brust presste. »Warten Sie, Major«, sagte er und lief davon. Wenig später kehrte er mit einem langen Stoffstreifen zurück, den er als Schlinge um Katyas Nacken legte. Sie ließ ihren Arm darin zur Ruhe kommen und nickte dankbar.
Das letzte Stück des Wegs legte die Gruppe im Gänsemarsch und schweigend zurück. Der Gang war so eng, dass die breiteren Schultern der Männer an seinen Wänden entlangstreiften.
Dann öffnete sich der Tunnel in einen Raum, der leer und auf seltsame Weise bedrohlich vor ihnen lag. Katya spürte Blicke, die auf sie gerichtet waren, und nicht nur das – ihre Nackenhaare richteten sich auf. »Waffen«, sagte sie. »Der Außenring ist besetzt. Irgendetwas muss geschehen sein, dass Anselm den Ring bewachen lässt!«
Milan blickte beunruhigt über die Schulter zu ihr zurück. »Müssen wir uns zu erkennen geben?«
Im gleichen Moment scholl ein Ruf durch die Dunkelheit. Etwas knallte dumpf, und Unruhe entstand im vorderen Bereich der Gruppe. »Wir können passieren«, hörte Katya. Es war die gebieterische Stimme des Oberpanis. »Bleibt dicht beieinander. Das Tor wird hinter uns sofort wieder geschlossen. Seht zu, dass keiner zurückbleibt!«
Eine längere Zeit fiel kein Wort mehr. Katya schleppte sich zwischen den Milvus-Brüdern durch den Tunnel und das eiserne Tor, durch das sie die Zuflucht betraten. Sie registrierte die
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