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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sogar etwas zu kühl, ich schätze, ich muss die Brenner warten lassen …«
    Die Stimme referierte sachlich, aber unter den nüchternen Worten ließ sich ein belustigter Unterton vernehmen.
    »Sie hätten ihn nicht ohne vorherige Absprache mit dem diensthabenden Arzt ins Dauerbad stecken dürfen«, erwiderte ein anderer Sprecher. »Es wurde noch keine Anamnese erhoben und Professor Charcot wird nicht erfreut sein, dass …«
    »Ich denke, wir sollten den lieben Gott nicht mit einer solchen Lappalie belästigen«, fiel der erste Sprecher ihm hastig ins Wort. »Es ist ja nichts passiert. Wir haben ihn fixiert und ihm Brom zur Beruhigung gegeben und er hat geschlafen wie ein Säugling an der Mutterbrust.«
    »Er hätte an der Panikattacke sterben können.«
    »Kein Verlust für die Menschheit.«
    »Montag, hüten Sie Ihre Zunge. Wenn eine solche Äußerung jemals unserem Direktor zugetragen werden sollte, können Sie sich noch am gleichen Tag eine neue Anstellung suchen.«
    »Jawohl, Herr Doktor«, antwortete der erste Sprecher kleinlaut.
    Die Stimmen entfernten sich. Eine Tür klappte zu. Dann wieder Schritte und eine Hand, die seine Schulter berührte. »Sind Sie wach, 329?«
    Jewgenij benötigte einige Sekunden, um zu begreifen, dass der Mann mit ihm sprach. Er öffnete die Augen, wobei Gewichte an seinen Lidern zu hängen schienen, die ihm diese kleine Bewegung unendlich erschwerten. »Hmm«, murmelte er. »Hm?« Sein Mund war trocken und die Augen scheuerten, als wären sie mit Sand bestreut.
    Das Gesicht, das auf ihn herabschaute, gehörte einem untersetzten Mann mit müden Hängebacken. »Können Sie mich verstehen?«
    Jewgenij nickte.
    »Ich bin Dr. Stadler, der Stationsarzt. Wissen Sie, wo Sie sich befinden?«
    Jewgenij schüttelte unwillkürlich den Kopf. Er lag in einem fremden Bett, in einer kahlen Kammer. Er versuchte, sich aufzusetzen, aber etwas hinderte ihn daran. Unnachgiebig. Fest um seine Glieder und seinen Brustkorb geschlungen. Breite Lederbänder. Sein Herz setzte einen Schlag lang aus und trommelte dann heftig und schnell gegen seine Rippen.
    Der Arzt erkannte die aufkeimende Panik und legte eine Hand auf Jewgenijs Brust. »Ruhig«, sagte er. »Sie wurden zu Ihrer eigenen Sicherheit fixiert, Sie haben getobt und der Wärter hatte Sorge, dass Sie sich verletzen könnten. Ich werde Sie gleich befreien. Haben Sie mich verstanden?«
    Jewgenij leckte sich über die aufgesprungenen Lippen. »Ja«, sagte er heiser. »Ich habe verstanden. Wo bin ich?« Und in dem Moment, in dem er die Frage aussprach, fiel es ihm ein. Brünnlfeld. Station C. Die Badewanne, der stockdunkle Raum, seine Angst. Er stöhnte und schloss die Augen.
    »Leiden Sie unter der Angst, lebendig begraben zu werden? Wie ist es mit dem Aufenthalt in geschlossenen Räumen? Verspüren Sie in solchen Fällen Beklemmungen? Atemnot?«
    Die Stimme des Arztes und seine Fragen beruhigten Jewgenijs Pulsschlag, so nüchtern und beiläufig wurden sie gestellt. Er atmete mehrmals tief ein und aus und blickte den Arzt an. »Nicht, dass ich wüsste«, log er. »Es war vielleicht alles zu viel gestern.«
    Der Arzt lachte leise. »Ich kann es mir vorstellen.« Er beugte sich vor und lockerte den Riemen um Jewgenijs Brust, machte sich dann an den Fußfesseln zu schaffen. »Ich denke, Sie haben nicht vor, sich gleich auf mich zu stürzen«, sagte er.
    »Nein, sicherlich nicht«, erwiderte Jewgenij mit einem erleichterten Schnaufen. Die Fesseln um seine Handgelenke fielen ab und er setzte sich auf, während er seine tauben Hände rieb, die unangenehm zu prickeln und zu stechen begannen.
    Der Arzt musterte ihn eindringlich. »Sie machen einen ansprechbaren und intelligenten Eindruck«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Jewgenij. »Ich habe Ihre Akte noch nicht zu Gesicht bekommen. Warum sind Sie eingewiesen worden?«
    Jewgenij musste sich zwingen, nicht die Augen niederzuschlagen. »Ich bin ein verurteilter Totschläger«, erwiderte er rau.
    Die Augen des Arztes öffneten sich weit in einem Moment der Verblüffung, dann glättete sich sein Gesichtsausdruck wieder zu einer gleichmäßig neutralen Miene wie zuvor. Er nickte nur und stand auf. »Ein Wärter wird sich um Sie kümmern und Ihnen alles zeigen, 329. Wir sehen uns später.«
    Die Tür schloss sich leise hinter ihm, und Jewgenij streckte mit einem Knurrlaut die Arme und dehnte seine Schultern, dann ließ er den Kopf kreisen. Er fühlte sich so zerschlagen, als hätte er eine Nacht lang Steine

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