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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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vorsichtig zu sprechen. »Das wissen Sie. Ich denke, dass er in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage sein wird, seinen Aufgaben nachzukommen. Meine Bemühungen, ihm zu helfen, erschöpfen sich in der letzten Zeit darin, ihn leidlich ruhigzustellen. Er spricht zwar kurzfristig recht gut auf Hypnose an, aber die Wirkung geht nicht tief genug, um eine Heilung zu bewirken.« Er unterbrach sich und zupfte an seinen Manschetten.
    »Sie glauben, dass Sie ihn nicht werden heilen können.«
    Der Arzt nickte resigniert. »Ich fürchte, dass sich der geistige Zustand Ihres Vaters in den nächsten Monaten weiter verschlechtern wird«, sagte er leise. »Es tut mir aufrichtig leid, Ihnen das so offen sagen zu müssen, Fräulein Kato. Aber ich möchte, dass seine Familie mit mir zusammen daran arbeitet, eine dauerhafte Lösung …«
    Kato wandte sich heftig ab. »Ich hatte gehofft, dass Sie … Nun, Sie geben sicherlich Ihr Bestes, Dr. Rados.«
    Er griff nach ihrer Hand und drückte sie aufmunternd. »Ich werde mich darum bemühen, den Zustand Ihres Vaters so weit zu stabilisieren, dass zunächst nichts gegen einen Verbleib in seinem Zuhause spricht.«
    Kato schluckte. »Sie meinen …«, sagte sie und schüttelte heftig den Kopf. »Das können Sie ihm nicht antun, Dr. Rados! Er darf niemals, niemals in eine dieser schrecklichen Anstalten gesperrt werden. Das wäre sein Tod!«
    »Nicht alle diese Einrichtungen sind schlecht«, widersprach der Arzt. »Ich versichere Ihnen, Fräulein Kato, wir würden Ihrem Vater die allerbeste Pflege angedeihen lassen …« Er unterbrach sich, weil Kato erregt aufsprang und sich von ihm abwandte.
    »Ich will davon nichts hören«, sagte sie erstickt. Jetzt erst wurde ihr mit kaltem Schrecken klar, dass ihr Vater wusste, was mit ihm geschah. Wie grauenvoll musste das sein, zusehen zu müssen, wie man den Verstand verlor und nichts dagegen unternehmen zu können. Oder war in Wirklichkeit doch alles ganz anders? Kato legte die Hände an die Schläfen. Der Aufruhr, der in ihr tobte, machte sie schwach und zittrig. Ihr Papa war doch bei vollkommen klarem Verstand! Sie selbst sah diese Wesen und konnte mit ihnen sprechen. Müsste sie also nicht auch verrückt sein, wenn er es war?
    Sie fuhr zusammen, weil eine Hand sie sacht an der Schulter berührte. »Sie sind erregt, Fräulein Katharina«, sagte der Arzt mit sanfter Stimme. »Kommen Sie, setzen Sie sich noch einmal zu mir. Noch ist Ihr Vater ja hier, bei Ihnen.« Er zog sie zur Bank und nötigte sie, sich zu setzen. Dann nahm er so an ihrer Seite Platz, dass er ihre Hände nehmen und ihr in die Augen sehen konnte. Kato blinzelte, aber sein Blick war zwingend und sie war nicht in der Lage, die Augen abzuwenden.
    »Wissen Sie, was Ihren Vater so quält?«, fragte Dr. Rados mit beruhigender, tiefer Stimme.
    Kato hätte zu gerne verneint, aber sie ertappte sich dabei, dass sie nickte.
    »Erzählen Sie es mir«, befahl der Arzt.
    Kato konnte weder blinzeln noch das Gesicht abwenden. Sie sah in die hellen Augen und wusste, dass sie Dr. Rados vertrauen konnte. »Mein Papa«, sagte sie stockend, »er sieht Dinge, die man nicht sehen darf.«
    Er nickte ermutigend. »Weiter«, forderte er sie auf.
    »Diese Dinge machen ihn verrückt. Er will sie nicht sehen, aber er kann es nicht verhindern. Und er weiß, dass er niemandem davon erzählen darf, weil man ihn sonst einsperrt.«
    Der Arzt fixierte sie. Der Druck seiner Hände, sein heller, starrer Blick, die dunkle, sanfte Stimme – das alles trug dazu bei, dass sie sich schläfrig und benommen fühlte. Sie spürte, dass seine Finger auf ihrem Puls lagen. Das war ein vertrautes Gefühl, das ihre Sorge besänftigte. Alles wurde gut, wenn der Arzt sich darum kümmerte.
    »Fräulein Kato«, sagte er leise, »können Sie mir etwas über sich erzählen? Wissen Sie, was Ihr Vater sieht? Können Sie es selbst auch sehen?«
    Kato öffnete den Mund, bereit, ihm alles anzuvertrauen, als ein plötzlicher Windstoß und fernes Donnern sie aus ihrer Versunkenheit rissen. Am Himmel waren dunkle Wolken aufgezogen und der Wind frischte auf.
    »Oh«, sagte sie und sprang auf. »Ein Gewitter. Ich hasse Gewitter.« Sie wartete nicht ab, bis der Arzt sich erhoben hatte, sondern lief davon.
    »Fräulein Katharina«, hörte sie ihn hinter sich herrufen, aber sie wandte sich nicht mehr um. Der Donner, der in der Ferne grollte, schien sie anzufeuern, noch ein wenig schneller zu laufen, und sie hielt nicht an, bis sie die Tür erreicht

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