Aethermagie
das geht nicht.«
Sie starrten sich an, und keiner von beiden senkte den Blick. Schließlich sagte Katalin: »Abgesehen davon – ist Ihnen ein Hilfswärter abhandengekommen? Er wurde vermisst gemeldet.«
In Charcots Miene regte sich kein Muskel. »Hilfswärter«, wiederholte er. »Major Nagy, ich bin der Leiter dieser Einrichtung. Ich kann nicht jeden Hilfswärter im Blick behalten. Sie sollten mit einem der Oberwärter sprechen.« Er brach den Blickkontakt und sah sich suchend um. »Wenn Sie in der Halle warten würden, dann schicke ich Ihnen Oberwärter Montag …«
»Hilfswärter Johannsen«, sagte Katalin sanft. »Er war längere Zeit in den geschlossenen Abteilungen tätig. Sie kennen ihn bestimmt.«
Professor Charcot faltete die Hände über dem Bauch. »Liebe gnädige Frau – Major Nagy, ich bitte um Entschuldigung – ich versichere Ihnen, dass ich zu viel im Kopf habe, um die Fluktuationen im Personalbereich im Detail mitverfolgen zu können oder wollen. Dafür habe ich meine Leute, die allesamt tüchtig und deshalb in der Lage sind, das ohne meine Kontrolle zu organisieren. Was ist nun mit diesem Hilfswärter? Warum interessiert sich das Rote Haus für ihn?«
Katalin schüttelte den Kopf. »Er ist verschwunden«, wiederholte sie. »Mehr darf ich dazu nicht sagen.«
»Sprechen Sie mit Oberwärter Montag, er wird Ihnen sagen, was er weiß.« Charcot wischte mit der Hand unsichtbare Krümel von seiner Weste. »Wenn ich sonst nichts mehr für Sie tun kann …«
»Herr Professor Charcot«, Katalin schlug einen schärferen Tonfall an, »Sie wissen, dass Sie dazu verpflichtet sind, mir Auskunft zu geben. Ich kann natürlich Seiner Kaiserlichen Majestät berichten, dass man mir nicht behilflich sein wollte und darum bitten …«
»Frau … äh … Major Nagy«, unterbrach Charcot sie hastig, »schießen Sie bitte nicht mit Kanonen auf Spatzen. Natürlich bin ich bereit, Ihnen jede erdenkliche Auskunft zu geben. Sie müssen aber auch verstehen, dass mir meine Patienten am Herzen liegen. Wir behandeln vor allem labile und stark gestörte Persönlichkeiten und die Ruhe in unseren geschlossenen Abteilungen ist leicht zu stören. Jede von außen hereingetragene Turbulenz würde Heilungsprozesse verzögern oder Rückschläge verursachen, was ich nicht verantworten kann. Außerdem kann ich in keiner Weise für Ihre Sicherheit garantieren, Sie sind kein Mitglied meines Stabes und somit nicht darin geübt, mit psychisch labilen Personen umzugehen.«
Katalin musterte ihn nachdenklich. »Es ist ja nicht nötig, mir Zutritt zu den Abteilungen zu gewähren. Mir würde es vollkommen genügen, wenn ich die betreffenden beiden Patienten kurz sehen und mit ihnen sprechen dürfte. Was den verschwundenen Hilfswärter betrifft – der wird sich wohl kaum in einer Ihrer Zellen befinden. Oder?«
Der Professor lachte auf und machte eine abwehrende Handbewegung. »Also gut«, sagte er. »Ich lasse den Oberwärter rufen. Sie können sich mit ihm unterhalten. Dann sehen wir weiter.«
Katalin musste sich notgedrungen damit zufriedengeben. Sie lehnte sich zurück, entzündete eine zweite Zigarette und wartete, während der Professor nach Oberwärter Montag schicken ließ.
»Können Sie mir über die beiden Männer etwas sagen?«, fragte sie.
Charcot ging zu einem Aktenschrank und suchte einige Ordner heraus. »Doktor Rados ist der behandelnde Arzt in beiden Fällen«, sagte er nach einem Blick auf die Deckblätter. »Er ist leider heute nicht im Haus.« Er schlug die Akten auf und überflog die ersten Seiten. »Ah, ja«, murmelte er. »Unsere beiden Totschläger. Hmhmmm.«
Katalin zwang sich zur Ruhe. »Branković und Moroni wurden mit dem gleichen Transport hier eingeliefert. Sie scheinen sich gekannt zu haben.«
Der Professor blickte über den Rand seiner Brille. »Ja, es sieht so aus«, sagte er. »Sie pflegten hier auch noch Kontakt miteinander, bis Branković seinen ersten Zusammenbruch erlebte und kurz darauf Moroni für einige Wochen katatonisch wurde. Ehe Sie sich aufregen: Es ist so, dass wir im Namen der Kaiserlichen Akademie neue Behandlungsmethoden erproben – Versuche, die wir natürlich nicht an harmlosen und unschuldigen Kranken betreiben können. Die Wissenschaft erfordert Opfer, und es ist eine weise Entscheidung seiner Kaiserlichen Majestät, uns das Material für unsere der Allgemeinheit dienenden Versuche zur Verfügung zu stellen. Diese Männer waren ihr Leben lang zu nichts nützlich, sie haben unserem
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