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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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zu schließen, als Wolffers das Frühstück brachte.
    Sie überflog unkonzentriert die Zeitung. Die Front rückte wieder einmal näher, wie es in den vergangenen zwölf Jahren des Krieges immer wieder vorgekommen war. Die Kaiserstadt selbst war noch nie unter Beschuss geraten, aber das war mittlerweile nur noch eine Frage der Zeit. Die Leukoi verfügten anscheinend über unerschöpfliche Reserven, was für die Königlichen und Kaiserlichen Streitkräfte nicht zutraf. Es war verständlich, dass die Oberste Heeresleitung verzweifelt nach einem Weg suchte, den Gegner zu vernichten oder wenigstens ein für alle Mal zurückzudrängen.
    Die Kaiserliche Akademie äußerte sich besorgt, aber zuversichtlich. Die Entwicklung des neuen Flugapparates schreite voran und auch eine weitere, höchst geheime Waffe sei in der Erprobungsphase. Das Kriegsministerium werde demnächst eine Verlautbarung dazu herausgeben.
    Katalin seufzte und griff nach ihren Zigaretten. Klatsch und Tratsch, Mode und Rennergebnisse interessierten sie nicht, also überflog sie die letzten Seiten nur, ehe sie wieder auf die zweite Seite zurückkehrte, um noch einen flüchtigen Blick auf die vermischte Spalte zu werfen. Eine kleine Notiz fing ihren Blick ein: Der Kronprinz werde unverzüglich nach dem Kaiserlichen Maskenball in Begleitung seiner Mutter, Ihrer Kaiserlichen Majestät, die Stadt verlassen und sich in einen Luftkurort in den Alpen zurückziehen, in ein Privatsanatorium für nervöse Zustände und Lungenleiden.
    Katalin ließ die Zeitung fallen und trank ihren Kaffee, der kalt geworden war. Ihre Kaiserliche Majestät wollte diese Woche noch die Stadt verlassen? Das war mehr als erstaunlich. Sie hatte Katalin ausdrücklich angewiesen, in dieser Woche Bericht zu erstatten, und zwar persönlich. Diese Anweisung war nicht widerrufen worden.
    Katalin sah mit gerunzelter Stirn die Post durch. Das meiste davon konnte sie an ihre Kommissäre weiterleiten, es war die übliche Mischung aus anonymen und namentlichen Anzeigen, Schmähbriefen, Denunziationen, Verschwörungstheorien und Beschwerden. Es war erstaunlich, was die Leute alles für einen Fall für das Sicherheitsbureau hielten.
    Ein Umschlag aus dickem cremefarbenem Papier trug das Siegel des Kaiserlichen Kriegsministeriums. Katalin öffnete den Brief, las das Schreiben und las es gleich noch einmal. Das war doch wohl ein Witz, eine Fälschung, jemand wollte sie auf den Arm nehmen!
    Aber das Siegel war echt. Die Unterschrift kannte sie. Und das Schreiben behauptete, die Vierte Abteilung sei ab jetzt dem Kriegsministerium unterstellt – auf Befehl Seiner Allergnädigsten Kaiserlichen Majestät Höchstderoselbst.
    Katalin legte das Schreiben so behutsam auf den Tisch, als befürchtete sie eine spontane Entzündung. Seine Majestät, Kaiser Ferdinand Maximilian, sollte seine Vierte Abteilung unter die Fuchtel des Kriegsministeriums gestellt haben? Noch nie zuvor war das Sicherheitsbureau einem anderen Herrn unterstellt gewesen, die Geheimpolizei war immer stolz darauf gewesen, Seiner Kaiserlichen Majestät und nur Seiner Kaiserlichen Majestät zu dienen.
    Katya stand auf, um ans Fenster zu treten. Sie lehnte sich an den Rahmen, verschränkte die Arme und blickte hinaus. »Seltsame Zeiten«, sagte sie leise.
    Sie musste die Leiter der anderen Sektionen zu einer Besprechung zusammenrufen. Sie musste die Kaiserin fragen, was hier vor sich ging. Vor allem Letzteres. Niemand, auch nicht der Kaiser selbst, ahnte, dass Major Nagy ihn schon seit langer Zeit verriet. Sie hatte schon vor ihrem Eintritt in die Vierte Abteilung einem anderen Herrn gedient – oder, besser gesagt, einer anderen Herrin. Diese Entwicklung würde alles nur noch mehr komplizieren. Wieso hatte Sophie sie nicht gewarnt? Wusste die Kaiserin möglicherweise nichts von den Plänen ihres Gemahls?
    Ihre Tür öffnete sich, ein glänzend kahler Kopf wurde hindurchgesteckt. »Katya? Hast du den Brief gelesen?«
    Cäsar Helmfried, einer der anderen Sektionsleiter der Vierten Abteilung. Katalin musste nicht fragen, welchen Brief er meinte, sie nickte nur und hob die Schultern.
    »Treffen um sechs?« Er winkte und zog den Kopf zurück. Die Tür schnappte zu. Also war sie nicht die Einzige, die nichts davon gewusst hatte. Einerseits beruhigend, auf der anderen Seite erschreckend. Die Vierte Abteilung war seit ihrer Gründung immer vollkommen unabhängig gewesen. Kein Minister, kein General, kein Polizeipräsident durfte ihnen vorschreiben, wie sie

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