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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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die Grünwald ihm gegeben hatte. »Er war schon ein recht großer Junge, als er hier einbrach.«
    Katya blinzelte mehrmals. »Einbrach«, wiederholte sie. »Was meinst du damit?«
    »Er hatte die Tür aufgebrochen und war dabei, den Laden nach etwas Wertvollem zu durchsuchen.« Tiez gluckste. »Der arme Junge. Vorne gibt es nur Gerümpel.«
    Katya, die sich aufgerichtet hatte, sank zurück gegen die Sessellehne, als hätte jemand ihr alle Kraft genommen. Die Vorstellung, dass der aufrechte, unerbittlich geradlinige Pater Guardianus in seiner Jugend ein ganz gewöhnlicher Einbrecher und Dieb gewesen sein sollte, brachte sie zum Lachen. »Du nimmst mich auf den Arm«, beschwerte sie sich.
    Tiez sah von seiner Lektüre auf, blanke Verblüffung im Blick. »Nein, warum sollte ich das tun?« Er blätterte um und nickte mehrmals. »Hm-hm. Das ist ein ungewöhnlicher Ansatz, aber er dürfte von Erfolg gekrönt sein.« Er befeuchtete seinen Daumen, blätterte zurück, dann wieder vor. »Sehr, sehr ungewöhnlich. Ich erkenne die Handschrift des jungen Jean-Martin. Ein sehr talentierter Bursche, der kleine Franzose. Sehr gelehrig.«
    Katya seufzte. »Horatius, Lieber«, sagte sie geduldig, »es ist sicherlich sinnvoll, wenn du dich in diese Berichte vertiefst, aber zuerst lass uns darüber nachdenken, was Josip uns erzählt hat.« Einbrecher. Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf. »Was hat dich bewogen, ihn zum Oberhaupt des Ordens zu machen?«
    Tiez legte die Blätter mit einem bedauernden Achselzucken beiseite. »Ich?« Er faltete die Hände über dem Bauch. »Wie käme ich auf so einen absurden Gedanken? Die Unendliche Schleife, das Ewige Licht, die barmherzige Mutter Zeit … Der Junge hatte schon immer eine überbordende Fantasie. Er hat den Orden vor ungefähr hundert Jahren gegründet. Und er besteht darauf, dass ich so etwas wie das Maskottchen seiner Vereinigung bin.« Der Professor schnaubte missbilligend. »Ich habe es aufgegeben, ihm das ausreden zu wollen. Er ist sehr beharrlich und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann kann es ihm niemand so leicht wieder austreiben. Ein harter Bauernschädel.« Er warf einen Seitenblick auf die Berichte, sein Gesichtsausdruck wurde geistesabwesend. Er griff nach den Blättern und begann zu lesen.
    Katya fand sich damit ab, dass Tiez ihr keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Sie legte den Kopf an die Lehne des Sessels und rekapitulierte, wovon Grünwald sie in Kenntnis gesetzt und wovor er sie gewarnt hatte.
    Jewgenij wurde als »Aggressionsverstärker« benutzt. Sie hatte nicht vollkommen verstanden, was das zu bedeuten hatte, aber Grünwald hatte ihr versichert, er habe ein Auge auf Shenja und werde dafür sorgen, dass er am Leben blieb. Das klang nicht sonderlich aufmunternd, aber mehr konnte Katya anscheinend nicht erwarten. Sie hatte Josip nach einer Fluchtmöglichkeit für Jewgenij gefragt, aber der Pater Guardianus hatte entsetzt abgewinkt. »Das würde ihn zum jetzigen Zeitpunkt in große Gefahr bringen«, sagte er. »Sobald er seine Nützlichkeit als Verstärker verloren hat – und das ist nur noch eine Frage der Zeit – muss ich seinen Verstand behutsam wieder stabilisieren. Es ist mir schon einmal gelungen, das für einen Probanden zu tun, aber ich habe es nicht völlig zu Ende führen können, weil er an Herzversagen gestorben ist.«
    Katya entzündete eine Zigarette und schloss die Augen. Josip glaubte, dass er Jewgenij wieder so weit würde herstellen können, dass eine Anstellung als Hilfswärter in der Anstalt möglich sein würde. Er hatte Katya keine allzu große Hoffnung gemacht, dass sich Shenjas Verstand jemals wieder vollkommen regenerieren würde. Zu groß waren die Beschädigungen, zu stark die zerstörerischen Einflüsse der »Behandlungen«. »Er verfügt über eine starke, stabile Persönlichkeit«, hatte Grünwald gesagt. »Ein anderer an seiner Stelle wäre jetzt schon ausgesaugt und nur noch eine Hülle aus Fleisch. Jewgenij besitzt immer noch Reste seines alten Ichs.«
    Katya zog mit geschlossenen Augen an ihrer Zigarette. Sie durfte den Schmerz und das Gefühl der Schuld nicht zulassen. Denn noch etwas Alarmierendes hatte Grünwald ihr eröffnet.
    »Die Versuche mit den Gewalttätern sind nicht die einzige Sache, der ich auf die Spur gekommen bin«, hatte er gesagt. »Es gibt auch noch die Station X und ihre Insassen. Das sind ausschließlich Sensitive, meist Kinder. Und jetzt fangen sie an, die Sensitiven im großen Rahmen zu

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