Aethermagie
internieren.« Sein intensiver Blick wurde noch bohrender. »Ich habe die Namenslisten gesehen. Der Baron und seine Tochter sollen in der zweiten Welle geholt werden, also zu Anfang des nächsten Monats. Das Mädchen trägt den Vermerk: ›X-Potenzial‹.«
Katya hatte ihn gefragt, wer diese Station leitete und welcher Art die Versuche waren, aber Grünwald hatte dazu nur sagen können, dass diese Station dem Professor selbst unterstand und er noch keine Gelegenheit bekommen hatte, sich dort umzusehen. Er sei allerdings für eine Beförderung vorgesehen, durch die er in naher Zukunft auch in der Abteilung X tätig werden würde. Bis dahin müsse er allerdings unbedingt vermeiden, enttarnt und aus der Anstalt entfernt zu werden.
Er hatte Katya fixiert und mit Nachdruck hinzugefügt: »Darauf habe ich zwei Jahre hingearbeitet, Katya. Ich lasse es nicht zu, dass mir nun noch etwas in die Quere kommt – auch nicht dein Kommissär!«
Katya drückte mit fahrigen Fingern ihre Zigarette aus. »Horatius, ich muss los.«
Tiez hob den Blick, der so fern war wie der Sternenhimmel. Er nickte. »Kümmere dich um sie«, sagte er mit einer Hellsichtigkeit, die Katya an dem zerstreuten alten Mann immer wieder überraschte. »Wir sehen uns übermorgen. Bis dahin habe ich das hier durchgearbeitet.« Er klopfte nachdrücklich mit den Fingerknöcheln auf das Papier, dann las er weiter.
Drago Pejić strömte die Aura starken Unbehagens aus, wie er so vor ihrem Schreibtisch stand. Er hatte die Arme abwehrend vor der Brust verschränkt und spielte mit einem abgebrochenen Streichholz, das er beim Eintreten vom Boden aufgelesen hatte. Ihr transleithanischer Mitarbeiter war ein Ordnungsfanatiker, dachte Katya. Er ertrug es nicht, wenn die Bleistifte nicht exakt parallel in der Schreibtischablage ausgerichtet waren, er pflegte Staubkörnchen mit spitzem, angefeuchtetem Zeigefinger von einer Tischkante zu picken, seine Berichte waren akkurat geschrieben, mit sorgfältig und fleckenlos mit dem Lineal gezogenen Unterstreichungen, ordentlich abgeheftet, das gelbliche Kanzleipapier immer sauber und ohne Eselsohren oder Fingerspuren.
»Kommissär Pejić«, sagte sie und hielt mit der Stärke ihres Willens seinen Blick fest, der immer wieder abirren wollte. »Ich habe Sie rufen lassen, weil ich eine delikate Angelegenheit mit Ihnen besprechen muss. Kann ich mich auf Sie verlassen?«
»Das wissen Sie doch, Major.« Er wich ihrem Blick erneut aus. Seine Stimme klang alles andere als fest.
Katya seufzte. »Was haben Sie, Drago? Was bedrückt Sie?«
Das Streichholz brach mit einem scharfen Knacken in zwei Teile. Pejić blickte darauf nieder, als wäre er überrascht, etwas in seiner Hand zu finden, ließ die Splitter dann achtlos fallen und bürstete seine Finger gegeneinander. Sein Gemüt musste sich in großem Aufruhr befinden, dachte Katya. Sie presste die Lippen zusammen, zwang sich zur Geduld – die Zeit lief ihr davon, sie lief davon! – und wartete.
Der Kommissär sah sich mit einer resignierten Geste um und deutete auf den Stuhl vor Katyas Schreibtisch. »Darf ich?«
Katya nickte und faltete die Hände vor dem Mund. Warum war ihr Kommissär derart aufgewühlt? Was war vorgefallen?
Pejić setzte sich, zog die Hosenbeine glatt, legte die Hände flach auf die Tischkante und sah Katya gerade an. »Ich hatte soeben eine Unterredung mit Major Helmersdorff, dem Flügeladjutanten des Reichskriegsministers«, sagte er leise und schnell. »Katalin, darf ich als Ihr Freund, nicht als Ihr Untergebener, sprechen?«
Katya nickte knapp und machte eine Handbewegung, er möge fortfahren.
»Ich muss Sie warnen, Katalin. Ihr Name taucht auf einer Liste auf, deren Inhalt sicherlich nicht für meine Augen bestimmt war. Aber ich kann nicht darüber hinwegsehen und nur an meine eigene Haut denken, wenn eine Freundin sich in Gefahr befindet. Sie müssen dringend etwas unternehmen. Meines Wissens verfügen Sie doch über Verbindungen in allerhöchste Kreise …« Er sah sie erwartungsvoll an.
Katya nickte knapp. »Ich danke Ihnen für die Warnung, Drago. Es ist mir bekannt, dass der Reichskriegsminister nicht zu meinen Gönnern gehört. Ich werde mich also vorsehen.«
Er nickte mit zweifelnder Miene. »Das Kriegsministerium wird die Abteilung in wenigen Wochen vollkommen neu strukturieren«, sagte er und sah sie weiter starr an. »Mir wurde das Angebot unterbreitet, einen Posten im persönlichen Stab des Reichskriegsministers anzunehmen. Unter
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