Aethermagie
Wahnsinn, ihn dort einzuschleusen, Katya.« Er sagte das ohne Tadel, aber Katalin presste die Lippen zusammen.
»Ihre Kaiserliche Majestät wünschte es.«
Grünwald schüttelte sacht den Kopf. »Ihre Majestät ist impulsiv und ihre Befehle entbehren gelegentlich bedauerlicherweise einer gewissen Durchdachtheit.«
Bei aller Empörung und auch Sorge – Katya konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Wie hast du ihn enttarnt?«, fragte sie. Wenn es ihm gelungen war, Jewgenij als eingeschleusten Agenten zu erkennen, dann war dies womöglich auch anderen gelungen – und über diese Weiterungen mochte sie gar nicht nachdenken. Darüber hinaus: Was war mit Johannsen passiert, der seit Wochen wie vom Erdboden verschwunden war?
»Die Berichte deines Mitarbeiters wurden der Anstaltsleitung zur Kenntnis gebracht«, antwortete Grünwald. »Ich habe miterlebt, wie sein Tagebuch wieder in das Versteck wanderte und habe es mir daraufhin einmal angesehen. Dein Name tauchte auf und dann hatte er noch das Endlose Zeichen bei sich – damit wusste ich, was und wer er war. Ich habe seitdem ein wenig auf ihn achtgegeben, aber meine Möglichkeiten sind begrenzt, wenn ich mich nicht selbst verraten will – womit ich auch deinem Freund nur schaden würde.«
Seine Worte bestätigten Katyas schlimmste Befürchtungen. »Was ist mit Johannsen geschehen?«, fragte sie. »Wer hat ihn enttarnt?«
Grünwald beugte sich vor und ließ sich von Tiez, der mit zerstreuter Miene gelauscht hatte, Tee nachschenken. Er umschloss die Tasse wie zuvor mit der Hand und badete sein Gesicht in den Schwaden, die davon aufstiegen. Noch ehe er den Mund öffnete, wusste Katya mit eisiger Deutlichkeit, was er sagen würde, denn seine Miene hatte sich verhärtet und seine Züge schienen wie aus Stein gemeißelt. Mit jeder Minute, die er ihnen hier gegenübersaß, bröckelte ein weiteres Stück der schützenden Persona, die er als Wärter der Anstalt um sich gebaut hatte, und der echte Josip Grünwald trat wieder zutage. Katya fröstelte unwillkürlich. Der Pater Guardianus war ein unerbittlicher Streiter des Ewigen Lichts und seine kämpferische Natur glich der eines mittelalterlichen Ritters.
»Hilfswärter Johannsen hat der Anstaltsleitung alles zugetragen, was dein Mitarbeiter sagte, tat und notierte«, sagte er nach einer Weile, in der nur das Ticken der Uhren die Stille in Stücke teilte. »Ich hatte ihn von seinem Dienstantritt an in Verdacht, als Schnüffler für die Direktion zu fungieren und war deshalb in seiner Gegenwart sehr auf der Hut. Er war ein gefährlicher Denunziant.«
»Ein Doppelagent?«, rief Katya fassungslos. »Ich hätte niemals angenommen, dass Johannsen unsauber sein könnte. Er ist ein unauffälliger, aber überaus pflichtbewusster Beamter.«
»Das war er – er hat für das Kriegsministerium gearbeitet«, entgegnete Grünwald.
Katya fluchte leise und erbittert. Dann schüttelte sie den Kopf. »Woher weißt du das?«
»Er hat es mir gesagt.« Grünwald nippte an seinem Tee. Katya konnte in seiner Miene, seinem Blick nichts lesen, aber der Klang seiner Stimme, mit der er die scheinbar harmlose Aussage traf, erzählte eine eigene Geschichte. Sie hatte durchaus wahrgenommen, dass Grünwald in der Vergangenheitsform von Johannsen sprach und konnte sich denken, was das zu bedeuten hatte.
Katya wählte eine Zigarette aus dem Etui und entzündete sie gemächlich, während sie ihre Gedanken ordnete. »Ist er tot?«
Grünwald zuckte die Achseln. »So gut wie. Patient 467. Katatonisch.«
Sie wich seinem Blick aus. Erbarmungslos und kalt. Hätte ihr der Pater Guardianus als Offizier in den Reihen der zaristischen Geheimpolizei gegenübergestanden, dann hätte sie eine Konfrontation mit ihm zu vermeiden gesucht. Diesen Mann wollte man nicht als Gegner haben, es sei denn, man war bereit, seinem Tod ins Auge zu blicken.
Sie zog an der Zigarette und stieß den Rauch in kleinen, kontrollierten Atemzügen wieder aus. »Wie bekomme ich Jewgenij dort heraus?«, stellte sie die erste Frage, die ihr in den Sinn kam.
»Was hast du im Brünnlfeld getrieben, mein Junge?«, fragte Tiez im selben Moment und seine Stimme ließ sie zusammenfahren – sie hatte beinahe vergessen, dass er dort saß, so still und reglos hatte er sich verhalten.
Der Pater lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Er stellte seine Tasse ab, fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht und über den Kopf und unterdrückte ein Gähnen. »Die Kaiserliche Akademie
Weitere Kostenlose Bücher