Aethermagie
arbeitet im Auftrag des Kriegsministeriums an einer Waffe, die den Krieg beenden soll. Teil dieser Entwicklungsarbeit sind Experimente mit gewalttätigen Irren und Schwerverbrechern. Ich hatte durch einen Informanten einen Hinweis bekommen, der es mir notwendig erscheinen ließ, das Brünnlfeld genauer in Augenschein zu nehmen. Belpharion und seine Leute schweben in großer Gefahr, Katya. Dir muss ich nicht erklären, dass die Leukoi in diesem Spiel nicht die Bösen sind.«
»Warum bist du selbst gegangen?«, fragte Horatius Tiez. Er klang interessiert und freundlich belustigt, als unterhielte er sich mit einem Bekannten über einen möglicherweise rufschädigenden Ausflug in ein dubioses Etablissement, und nicht über eine Mission, die Leib und Leben, Seele und Gesundheit gefährdete.
»Und warum hast du nicht wenigstens den Hohen Rat informiert?« Katya verschränkte die Arme vor der Brust. Das wenige, was der Pater Guardianus ihnen erzählt hatte, ließ eine Menge unangenehmer Schlussfolgerungen zu. Das Kriegsministerium hatte dafür gesorgt, dass Jewgenij aus dem Verkehr gezogen wurde. Es bespitzelte wahrscheinlich auch das Rote Haus – wenn Johannsen ein Agent des Ministeriums gewesen war, gab es womöglich noch weitere von seiner Sorte, die die Vierte Abteilung durchsetzten. Wenn das Kriegsministerium nun das Sicherheitsbureau übernahm, würden Köpfe rollen – und Katya war sich recht sicher, dass ihr Name bereits auf der Liste stand. Sie musste unverzüglich die Kaiserin konsultieren.
Sie rief sich zur Ordnung. »Josip, sei mir nicht böse, aber im Augenblick ist Jewgenijs Rettung die vordringlichste Aufgabe. Du warst zwei Jahre lang offiziell verschwunden und wahrscheinlich tot. Was auch immer du damit bezweckt hast und was auch immer dich getrieben hat, den Hohen Rat nicht zu informieren …« Sie riss die Augen auf, als ihr die späte Erkenntnis dämmerte. »Ewiges Licht«, flüsterte sie. »Bei der Unendlichen Zeit …!«
Horatius Tiez kicherte und erhob sich steifgliedrig. »Ich koche uns Tee«, verkündete er. »Und ihr überlegt euch derweil, wer der Maulwurf im Hohen Rat sein könnte.« Er zwinkerte Katya zu und ging hinaus.
Josip Grünwald verabschiedete sich nach einer knappen Stunde, die kaum ausgereicht hatte, um alle Fragen zu stellen, geschweige denn zu beantworten, die Katya auf der Seele brannten. »Ich muss meinen Dienst antreten«, sagte er mit einem halben Lächeln, dem die Anstrengung anzusehen war, die es ihn kostete. Er zog ein Bündel eng zusammengerollter, dicht beschriebener Papiere aus seiner Manteltasche, das er dem Professor reichte. Während er in seinen Mantel schlüpfte erklärte er in knappen Worten, dass dies Abschriften von Berichten seien, die sich mit den Experimenten des Kriegsministeriums befassten. Er sei zuversichtlich, dass Meister Horatius mithilfe seiner Kenntnisse der höheren Ebenen der Ætherphysik seine Schlüsse daraus würde ziehen können.
Josip Grünwald verneigte sich wie bei seinem Eintreten tief vor dem Professor, der ihm väterlich segnend die Hand auf den Kopf legte, und verabredete sich mit Katya zu einem erneuten Treffen.
Dann schlug die Tür hinter ihm zu, seine Schritte entfernten sich, und Katya musterte Tiez, der in Gedanken versunken auf den abgetretenen Teppich hinabblickte. Sie hatte sich nie gefragt, wie diese beiden Männer zusammengetroffen waren. Sie waren so unterschiedlich, wie man es sich nur denken konnte. Auf welchen verschlungenen Wegen mochte das Schicksal sie zusammengeführt haben?
Sie stellte diese Frage, und Horatius Tiez sah blinzelnd auf. »Wie finden meine Jungen zu mir?«, fragte er zurück. »Ich weiß es nicht. Eines Tages sind sie da und bleiben.«
Katya benötigte einen Moment, um seine Erwiderung in die richtige Schublade einzuordnen. »Josip war einer deiner … Neffen?«
Tiez lachte und hob den Kneifer an, um sich die Augen zu reiben. »Meine Jungen«, sagte er versonnen. »Ich gebe ihnen einen Platz, an dem sie wohnen und lernen und sich entwickeln können. Manche von ihnen bleiben ein paar Wochen, manche für immer. Ich habe keine Familie mehr, Katya. Ich brauche Gesellschaft wie jeder andere Mensch. Und wenn ich für jemanden sorgen kann, der sonst kein Zuhause hat, dann sollte daran doch nichts Verwerfliches zu finden sein.«
Katya ahmte unbewusst seine Geste nach und rieb sich über die Nasenwurzel. »Du hast Josip aufgezogen?«
»Gewissermaßen.« Tiez blätterte unaufmerksam durch die Berichte,
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