Aethermagie
bestätigt.
»Ich hatte Moroni angewiesen, auch den Freiherrn von Mayenburg hierher zu bringen. Befindet sich Ihr Herr Vater noch immer im Gewahrsam des Sicherheitsbureaus?«
Katos Augen füllten sich mit Tränen, die ihr die Sicht verschleierten. Seit ihrer nicht ganz freiwilligen Flucht aus dem Roten Haus hatte sie es streng vermieden, an ihren Vater zu denken, aber da Professor Charcot sie nun so direkt darauf ansprach, konnte sie ihren Kummer nicht länger bezähmen. »Er ist tot«, rief sie aus, legte die Hände vors Gesicht und schluchzte so jammervoll wie ein Kind. Dabei war sie sich seiner beobachtenden Blicke durchaus bewusst, aber die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten.
Nach einer Weile, in der er geschwiegen und sie sich die Fassung zurückerkämpft hatte, wischte sie sich die Augen und schnäuzte ihre Nase, blickte auf und zwang sich zu einem Lächeln. »Verzeihen Sie mir«, sagte sie. »Ich habe ein paar schreckliche Tage hinter mir.«
Sein Gesicht zeigte Mitgefühl, aber ohne ihr zu nahe zu treten. Er hatte eine sachliche und distanzierte Art, die Kato seltsamerweise wohltat. Es wäre unerträglich gewesen, sich jetzt irgendwelcher Tröstungsversuche erwehren zu müssen.
»Fräulein von Mayenburg«, sagte Charcot, »grämen Sie sich nicht zu sehr. Der zerrüttete geistige Zustand Ihres Herrn Vaters hätte es früher oder später zwingend nötig gemacht, ihn hierher zu bringen. Mein Kollege hat mir berichtet, welche irrationale Angst Ihren Vater vor diesem Schritt zurückschrecken ließ. Vielleicht sollten wir es als eine Art von Gnade betrachten, dass es ihm nun erspart bleibt, sich dieser Angst stellen zu müssen.«
Kato konnte sich dieser Sichtweise nur bedingt anschließen, aber sie nickte halbherzig. Der Professor war freundlich und schien sich wirklich Gedanken über ihren Vater gemacht zu haben.
»Ich bin schon wieder ruhig«, sagte sie und fuhr sich noch einmal mit dem Ärmel über die Augen.
Charcot räusperte sich und blickte auf eine silberne Taschenuhr, die er aus der Westentasche zog. »Ich habe zwar einen ausgefüllten Terminkalender, aber für einen Gast wie Sie möchte ich mir ein wenig Zeit nehmen. Ich werde Sie gleich herumführen, damit Sie die Einrichtung einmal kennenlernen. Dann möchte ich Sie gerne hypnotisieren – Sie kennen das sicher von Dr. Rados?« Er sah Kato erwartungsvoll an.
»Ah«, sagte sie und hob abwehrend die Hand. »Ich kenne es, aber nicht aus eigener Anschauung. Dr. Rados hat meinen Vater damit behandelt. Ich wüsste aber nicht, wozu Sie mich …«
»Ich möchte Sie offiziell als Patientin führen«, unterbrach Charcot sie. »Dazu muss ich eine gründliche Anamnese durchführen, die Hypnose ist nur ein Teil davon.« Er runzelte ein wenig die Stirn. »Fräulein von Mayenburg, Sie sollten mir vertrauen. Ich habe nur Ihr Bestes im Sinn.« Er sah erneut auf seine Uhr. »Ich schlage vor, wir beginnen damit, dass wir Ihnen andere Kleidung besorgen. Dieser pittoreske Anzug ist zu auffällig und, wie ich bemerken möchte, auch nicht mehr allzu sauber.« Seine Lippen schürzten sich missbilligend. »Ich kann es leider nicht riskieren, nach ihren eigenen Kleidern schicken zu lassen. Es darf keine Verbindung zu dieser Einrichtung hergestellt werden. Aber da Sie eine Zeit lang unser Gast sein werden, wäre es ohnehin sinnvoll und angemessen, wenn Sie die hier übliche Kleidung tragen.«
Kato war alles recht, wenn sie nur aus ihrem schmuddeligen Kostüm herauskam, das ihr schon lange nicht mehr so bequem erschien wie zu Anfang. Sie nickte, was ihr ein Lächeln des Professors eintrug. Er stand auf und deutete zur Tür – vielmehr, er wollte zur Tür deuten, zeigte aber auf Moroni, der immer noch dort stand. Der Riese hatte sich so still und reglos verhalten, dass Kato seine Gegenwart völlig vergessen hatte, und wenn sie Charcots Miene richtig deutete, war das nicht nur ihr so ergangen.
»Moroni«, sagte Charcot mit deutlichem Tadel, »was stehst du immer noch da herum, Tölpel?« Der große Mann zog den Kopf ein wie ein gescholtenes Kind. Der Professor schüttelte mit ärgerlicher Nachsicht den Kopf. »Aber gut, wenn du noch da bist. Du kannst heute wieder in der Abteilung D aushelfen. Findest du den Weg?« Moroni nickte. »Dann lauf«, befahl Charcot ungeduldig. »Worauf wartest du?«
Kato sah mit gemischten Gefühlen, wie der Riese das Zimmer verließ. Immerhin war er es gewesen, der sie aus dem Roten Haus befreit hatte.
»Sie müssen sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher