Aethermagie
roten Knopf. Das Licht wurde heller, und die Frau schrie dumpf durch den Knebel zwischen ihren Zähnen. Die Gurte, die sie an den Sitz fesselten, verhinderten beinahe jede Bewegung, aber dennoch wand und krümmte sie sich.
Kato sprang auf und wollte zur Tür stürmen, aber Charcot hielt sie fest. »Das ist nicht schlimm«, sagte er leise. »Das Gehirn spürt keinen Schmerz. Es sind nur muskuläre Zuckungen. Sehen Sie, jetzt ist sie ganz ruhig.«
»Wozu dient diese Folter?«, fragte Kato, die nur mühsam ihre Tränen zurückhielt. »Warum quälen Sie die Ärmste so?«
»Die Schocks betäuben die Patientin«, erläuterte der Professor und notierte unterdessen erneut etwas mit Blick auf seine Uhr. »Sie wird von der folgenden Operation nichts mehr spüren. Sehen Sie hin, jetzt kommt der interessante Teil. Jeder Student der medizinischen Wissenschaften würde in diesem Augenblick gerne mit Ihnen tauschen, Baronesse.« Er klang missbilligend und ein wenig gekränkt. Kato schluckte und setzte sich wieder. Sie zwang sich, zu dem Mann im Kittel zu schauen, der sich nun auf einen hochbeinigen Hocker setzte, auf dem er über der betäubt daliegenden Frau thronte. Er griff nach einem Instrument, das wie ein langer Dorn aussah, und beugte sich über ihren Kopf.
»Was macht er da?«, fragte Kato, von Entsetzen geschüttelt. »Was hat er vor? Will er ihr das Auge ausstechen?«
Charcot legte den Finger auf die Lippen ohne den Blick abzuwenden. Er machte sich eine Notiz und sah danach wieder auf die Uhr. Dann warf er Kato einen Blick zu. »Er wird dieses speziell für diese Operation entwickelte Instrument am Augapfel vorbei durch die Augenhöhle ins … Ah, sehen Sie selbst.«
Kato konnte nicht wegsehen, der schreckenerregende Anblick ließ sie erstarren. Der Operateur führte das Instrument in die Augenhöhle der Frau ein und nahm dann einen kleinen Hammer, der dem ähnelte, den Charcot auf seinem Schreibtisch liegen hatte, um damit fest gegen den Griff des Instrumentes zu klopfen. Kato meinte, ein leises Knirschen zu hören. Ihr wurde übel, und das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen, löste die Schreckstarre, in der sie sich befand.
»Jetzt wird er das Instrument vorsichtig in den Stirnlappen einführen und dort auf- und abbewegen, um das Hirngewebe zu durchtrennen«, hörte sie den Professor noch erklären, aber da war sie schon zur Tür gestürzt und hatte sich in den Flur gerettet.
Dort lehnte sie sich an die Wand, zu aufgewühlt und gleichzeitig zu schwach, um etwas anderes zu tun als ihrer Übelkeit Herr zu werden.
Nach einer recht kurzen Weile öffnete sich die Tür und Professor Charcot trat heraus. Er lächelte zufrieden in sich hinein. »Sie sind gegangen, bevor der interessante Teil anfing«, sagte er mit leisem Tadel.
»Ist sie – ist sie tot?«, fragte Kato.
Charcot griff wieder nach ihrem Ellbogen. »Tot?«, fragte er verwundert. »Aber nein, was hätte das denn für einen Sinn? Sie ist gesund und munter und dürfte sich derzeit, wenn auch ein wenig desorientiert, wohler fühlen als jemals in ihrem Leben zuvor.« Er lachte leise und geleitete Kato, die gar nicht auf den Gedanken kam, sich dagegen zu wehren, zum Treppenhaus. »Heute Abend oder morgen werde ich sie Ihnen vorführen, mein skeptisches Fräulein, damit Sie sich selbst davon überzeugen können.« Er lachte wieder. »Jetzt schauen wir mal, ob wir Schwester Seraphina finden, damit sie Ihnen passende Kleidung heraussucht, und dann werde ich Ihren Patientenbogen ausfüllen. Sie erinnern sich – unsere kleine Hypnosesitzung.«
Kato fuhr unwillkürlich zusammen.
Schwester Seraphina war eine ältere, freundlich erscheinende Frau, die Kato mit prüfendem Blick vom Kopf bis zu den Füßen musterte. »Was für ein Aufzug«, sagte sie. »Ist das arme Kind sehr verwirrt? Benötigen wir einen Wärter, um sie zu entkleiden?«
Kato ließ einen empörten Ausruf hören. Charcot lachte kollernd wie ein Puter und schüttelte den Kopf. »Fräulein von Mayenburg ist für eine kurze Zeit unser Gast. Sie ist Patientin von Dr. Rados und leidet unter nervöser Erschöpfung.« Er beugte sich vor und murmelte: »Ein Todesfall in der Familie.«
Die Schwester nickte zweifelnd. Ihr Blick hing immer noch an Katos Kostümierung. »Ich lasse die Kleider auf ihr Zimmer bringen«, sagte sie. »Wünschen Sie noch etwas, Professor Charcot?«
Der Arzt verneinte und nahm wieder Katos Ellbogen. Kato verspürte den Impuls, sich zu befreien, aber dann seufzte sie
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