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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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und ließ es über sich ergehen. Für den Moment war sie auf Charcots Wohlwollen und Schutz angewiesen, und sie konnte ihm nicht vorwerfen, unfreundlich zu ihr zu sein. Ganz im Gegenteil, der Professor war äußerst zuvorkommend und schien fest entschlossen, ihr den Aufenthalt in seinem Institut so angenehm wie möglich zu machen. Er geleitete sie zurück in sein Büro und wies mit einladender Geste auf die Ottomane. »Nehmen Sie Platz, machen Sie es sich bequem«, sagte er. »Möchten Sie ein Glas Wasser?«
    Kato verneinte. Charcot zog den Stuhl heran und legte einen Notizblock, einen Bleistift, seine Taschenuhr an der Silberkette, einen kleinen silbernen Hammer und ein schmales Lederetui auf den niedrigen Tisch. »Ich möchte Sie zuerst hypnotisieren«, sagte er und griff nach der Uhr. »Ich schlage vor, Sie legen sich hin. Eine liegende Position wird es Ihnen erleichtern, sich zu entspannen.«
    »Ich möchte nicht …«, begann Kato, aber der Arzt drückte sie mit sanfter Gewalt gegen die Lehne, schob ihr ein Kissen in den Rücken, lächelte sie väterlich an und sagte: »Haben Sie keine Angst. Es wird Ihnen guttun.« Er drehte die Uhr in den Fingern, und die Silberkette glitt wie eine Schlange zwischen ihnen hindurch. Kato räusperte sich unbehaglich.
    »Fräulein von Mayenburg.« Der Arzt beugte sich vor und sah sie eindringlich an. »Ich hatte Dr. Rados schon vor einigen Wochen gebeten, Sie mir einmal vorzustellen und freue mich nun, dass Sie mein Gast sind – auch wenn die Umstände für Sie unerfreulicher Natur sind. Das bedauere ich unendlich, seien Sie dessen versichert. Aber vielleicht fügt sich nun alles zum Guten.« Er drehte die Silberkette um seinen Zeigefinger. »Sie wissen, dass Ihr Vater an schweren Wahnvorstellungen litt?«
    Kato blinzelte mehrmals schnell. »Nein«, erwiderte sie mit flacher Stimme. »Das ist mir nicht bekannt.«
    Charcot nickte nachdenklich. »Ihr Vater war von einer Form der Geisteskrankheit betroffen, die wir in den letzten Jahren mit steigender Besorgnis in der Bevölkerung beobachten. Wir glauben, dass die sogenannten ›Engel‹ einen Weg gefunden haben, diese Krankheit künstlich hervorzurufen, um unser Kaiserreich in diesem unseligen Krieg zu schwächen und unsere endgültige Unterwerfung herbeizuführen.« Er wartete, ob Kato sich dazu äußern wollte, und fuhr dann fort: »Diese Krankheit scheint sich mittlerweile sogar zu vererben. Wissen Sie, ob Ihre Frau Mutter …?«
    »Meine Mutter tut nichts zur Sache«, fuhr Kato ihm ins Wort. »Worauf wollen Sie hinaus, Professor Charcot?«
    Er nickte knapp und sie glaubte, in seinen Augen einen Schimmer von Mitleid zu erkennen. »Ich fürchte, mein liebes Fräulein von Mayenburg, dass auch Sie möglicherweise an dieser Krankheit leiden könnten. Sagen Sie mir ehrlich – und ich versichere Ihnen, dass kein Wort davon aus diesem Raum gelangen wird – sehen Sie gelegentlich Wesen, die andere Menschen nicht wahrnehmen können?« Bei diesen Worten beugte er sich wie unabsichtlich zum Tisch und entzündete die Ætherlampe, die darauf stand.
    Kato blickte starr daran vorbei. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte sie, und fand selbst, dass ihre Stimme gepresst und unnatürlich klang. Was bezweckte der Arzt mit dieser Befragung? »Wen meinen Sie, wenn Sie ›wir‹ sagen?«, ergriff sie die Gelegenheit, das Heft selbst in die Hand zu nehmen.
    Charcot lächelte verhalten. »Sie haben sicherlich von der Kaiserlichen Akademie gehört.« Er wartete ihr Nicken ab und fuhr fort: »Ich habe die Ehre, dieser verdienstvollen Institution als Leiter vorstehen zu dürfen. Wir sehen es in diesen schweren Zeiten als unsere patriotische Pflicht an, alles in unseren Kräften Stehende zu unternehmen, um den Krieg zu beenden. Aber der Feind ist uns in vielen Dingen noch immer überlegen.«
    Kato seufzte. »Was wollen Sie also von mir?«, fragte sie nicht ohne Schärfe. Sie war müde und voller Angst, dieser Ort gefiel ihr so wenig wie das Rote Haus, und es war ihr, als hätte sie nur einen Gefangenenwärter gegen den nächsten ausgetauscht.
    Charcot beugte sich zu ihr und tätschelte ihren Arm. »Seien Sie unbesorgt, Fräulein von Mayenburg«, sagte er beruhigend. »Hier sind Sie in den allerbesten Händen und ganz und gar in Sicherheit. Wir werden uns gut um Sie kümmern, das verspreche ich Ihnen.«
    Seine Worte trugen nicht dazu bei, sie zu beruhigen, ganz im Gegenteil. Kato setzte sich alarmiert auf. »Was wollen Sie damit sagen? Ich bin nur

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